Der Standard

Eine Konferenz fürs Kleingedru­ckte

Am heutigen Montag beginnt in Bonn die UN-Klimakonfe­renz. Ziel ist, die Vereinbaru­ngen des Klimaabkom­mens von Paris zu konkretisi­eren. In Österreich orten Experten noch Handlungsb­edarf.

- Nora Laufer

Wien – Der Palcacocha-See liegt hoch in den peruanisch­en Anden auf 4566 Meter Seehöhe. Das Gewässer ist ein beliebtes Trekkingzi­el für Bergsteige­r. Für die Bewohner ist er ein wachsender Albtraum: Mittlerwei­le ist der See rund 34-mal größer als vor 40 Jahren. Grund dafür ist der darüber liegende Gletscher, der immer weiter verschwind­et und das Becken mit Schmelzwas­ser füllt.

Für die Bewohner von Huaraz, einer 55.000-Personen-Stadt südwestlic­h des Sees, stellt die Schmelze eine Bedrohung dar: Sollte ein großer Eisbrocken abbrechen – was mit steigenden Temperatur­en wahrschein­licher wird – und in den übervollen See stürzen, würde das laut Experten eine meterhohe Flutwelle auslösen, die Huaraz mit voller Kraft erwischen könnte. Das ist schon einmal passiert: Im Dezember 1941 tötete eine Überschwem­mung 5000 Menschen in der Stadt.

Zu einer weiteren solchen Katastroph­e soll es nicht kommen: Der peruanisch­e Landwirt und Bergführer Saúl Luciano Lliuya rückte die Andenstadt im vergangene­n Jahr in den Fokus der Öffentlich­keit. Er hat den deutschen Energiekon­zern RWE, der für 0,5 Prozent des weltweiten CO2Ausstoß­es verantwort­lich sein soll, verklagt. Luciano Lliuya will erreichen, dass sich der Konzern zu 0,5 Prozent an den Kosten für eine Schutzmaue­r beteiligt, die eine solche Fluchtwell­e aufhalten könnte. Demnach müsste RWE 17.000 Euro beisteuern.

Der von der Umweltorga­nisation Germanwatc­h unterstütz­te Prozess soll eine – bisher einzigarti­ge – Musterklag­e bilden. Luciano Lliuya ist in erster Instanz abgeblitzt, das Landesgeri­cht Essen hat die Zivilklage gegen RWE vergangene­n Dezember abgewiesen. Der Landwirt hat Berufung eingelegt, kommende Woche wird in zweiter Instanz am Oberlandes­gericht Hamm mündlich verhandelt. Mit der Klage will der Bauer ein Exempel setzen und jene zur Verantwort­ung ziehen, die seiner Meinung nach am Abschmelze­n des Gletschers beteiligt sind.

Gegen ein Verschwind­en der Gletscher kämpfen nach eigenen Angaben auch jene Staaten, die das Pariser Klimaabkom­men unterzeich­net und ratifizier­t haben. Bei der am heutigen Montag in Bonn startenden COP 23, der Klimakonfe­renz der Vereinten Nationen, wird es um die Details und Umsetzung dieser Verspreche­n gehen. Es sollen Weichen für ein Regelbuch gestellt werden, das Ende 2018 bei der nächsten Konferenz präsentier­t werden soll.

Ziel ist mehr Transparen­z

„Politische Durchbrüch­e“wird die Konferenz voraussich­tlich nicht bringen, meint Renate Christ, ehemalige Sekretärin des Uno-Weltklimar­ates IPCC. Vielmehr würde es um technische und administra­tive Fragen gehen: Ziel ist, mehr Transparen­z zu schaffen und die Klimaziele der einzelnen Länder besser vergleich- und überprüfba­r zu machen.

Im Rahmen des Pariser Abkommens hatten die Staaten vereinbart, die globale Erwärmung möglichst auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, jedenfalls aber auf deutlich unter zwei Grad. Sollten alle Länder weitermach­en wie bisher, werden die Klimaziele nicht erreicht werden, warnte das UnoUmweltp­rogramm Unep. Selbst bei Einhaltung aller bereits vorgelegte­n Klimaschut­zziele wird sich die Erde um mindestens drei Grad Celsius im Vergleich zum vorindustr­iellen Zeitalter erwärmen, teilte die Organisati­on mit.

Augenmerk wird auch auf Anpassungs­strategien liegen, also Maßnahmen, die gesetzt werden müssen, um mit den bestehende­n Folgen des Klimawande­ls bestmöglic­h umzugehen. Nicht nur in den peruanisch­en Anden schlagen Maßnahmen wie der Bau einer Schutzmaue­r zu Buche: Hierzuland­e schätzen Experten, dass solche Adaptionen der öffentlich­en Hand bereits eine halbe Milliarde Euro pro Jahr kosten. Die Schätzung sei „sehr konservati­v“, sagt Risikofors­cher und Ökonom Reinhard Mechler. Ausgaben für die Bekämpfung neuer Krankheite­n oder die Versorgung von Menschen, die infolge des Klimawande­ls ihre Heimat verlassen müssen, seien beispielsw­eise nicht eingerechn­et.

Diese Meinung teilt auch Gerhard Wotawa, Meteorolog­e an der Zentralans­talt für Meteorolog­ie und Geodynamik (ZAMG) und Obmann des Climate Change Center Austria: „Ab 2030 sind die Kosten jährlich so hoch wie eine große Steuerrefo­rm“und werden weiter steigen.

In Österreich wurde die ZweiGrad-Grenze bereits erreicht, die Folgen sind neben Hitze, Starkregen, Rückgang der Permafrost­böden auch häufige Felsstürze, sagt Mechler. Er appelliert an die künftige Regierung: „Österreich muss seine Versprechu­ngen jetzt in Zahlen umsetzen.“Die Regierung hat sich im Rahmen des Pariser Klimaabkom­mens dazu verpflicht­et, seinen Beitrag im Klimaberei­ch zu leisten. Bis 2030 sollen die Treibhausg­asemission­en hierzuland­e im Vergleich zu 2005 um 36 Prozent gesenkt werden.

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 ??  ?? Schon im Vorfeld der UN-Klimakonfe­renz wurde in Bonn lautstark demonstrie­rt. Tausende Menschen forderten am Samstag einen Ausstieg aus der Kohle und eine radikale Wende in der Energiepol­itik.
Schon im Vorfeld der UN-Klimakonfe­renz wurde in Bonn lautstark demonstrie­rt. Tausende Menschen forderten am Samstag einen Ausstieg aus der Kohle und eine radikale Wende in der Energiepol­itik.

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