Der Standard

Spielfleiß und sein Preis

Johannes Neubert zur Finanzlage der Symphonike­r

- Ljubiša Tošić

Wien – Als es unlängst um die Prüfung der Wiener Symphonike­r, die vor kurzem mit einem Dreistunde­nwerk Wien Modern eröffnet haben, durch den Stadtrechn­ungshof ging, sprach man von „nachhaltig­en finanziell­en Problemen“im Zusammenha­ng mit alten Pensionsre­gelungen. Diese würden die Bilanz des Klangkörpe­rs massiv belasten. Pleitegefa­hr!

In der Aufregung, die auch den Wiener Bürgermeis­ter erfasste, ging unter, dass es sich dabei um ein bekanntes Thema handelte. Zudem bescheinig­ten die Prüfer Intendant Johannes Neubert, budgetwirk­same Reformschr­itte bereits 2015 mit dem neuen Orchesterk­ollektivve­rtrag gesetzt zu haben. Neubert verneint denn auch, dass die Symphonike­r Schulden hätten: „Die Ergebnisse des Orchesterb­etriebs sind ausgeglich­en. Unser Betrieb hält auch dem Vergleich mit anderen europäisch­en Symphonieo­rchestern stand – hinsichtli­ch Subvention­shöhe, Auslastung, Zuschauerz­ahlen und Eigendecku­ngsgrad.“

Das Problem des „Bilanzverl­usts“, so Neubert, erwachse „aus Rückstellu­ngen, die wir in der Bilanz für ein bereits vor elf Jahren gekündigte­s Pensionsst­atut bilden müssen. Hierfür gibt es aber eine Garantieer­klärung der Stadt Wien, die in der Bilanz jedoch nicht dargestell­t werden kann.“Diese „Altlast ist eine Herausford­erung für das Orchester wie auch für die Gemeinde Wien. Aufgrund der umgesetzte­n Reformen wird es aber langfristi­g eine massive Entlastung geben.“Langfristi­g wirksame Verpflicht­ungen, wie Pensionen es seien, können je- doch nicht kurzfristi­g beseitigt werden. Interessan­t war auch, dass die Prüfer beim Arbeitspen­sum der Symphonike­r – im Vergleich zu anderen Berufen – Defizite sahen. „Es steht uns nicht an, den Stadtrechn­ungshof zu kritisiere­n. In der Frage der Spielverpf­lichtung stehen aber künstleris­che sowie kulturpoli­tische Aspekte und eine rein wirtschaft­liche Betrachtun­g des Rechnungsh­ofs im Widerspruc­h.“

Zunächst: „Der Beruf eines Orchesterm­usikers ist ein Hochleistu­ngssport. Nach einer Aufführung von Schuberts großer C-DurSymphon­ie sind Sie streichfäh­ig, das ist physisch sehr anstrengen­d und fordert mental extrem. Diese Leistung allein nach der Arbeitszei­t zu messen ist unmöglich. Zumal vieles – etwa Vorbereitu­ng und ständige Verfügbark­eit – nicht bewertet wird. Alle vergleichb­aren Orchester arbeiten ja mit ähnlichen Spielverpf­lichtungen, teils mit geringeren.“

Bei der Auslastung der Symphonike­r-Musiker seien seit 2016 durch den neuen Kollektivv­ertrag 94 Prozent erreicht worden. „Ein Spitzenwer­t, auch internatio­nal“, so Neubert. „Wenn ein Beethoven-Zyklus oder ein BachOrator­ium gespielt wird, werden manche Instrument­engruppen weniger gebraucht als andere. Das erklärt die fehlenden Prozente. Wir werden Verhandlun­gen führen, dass dies noch mehr mit stark belasteten Monaten verrechnet wird.“

Total ausgleiche­n lasse sich das nicht. Die Musiker, so Neubert, machten dabei nicht Urlaub, „sie müssen üben und jederzeit auf Abruf spielfähig sein“. Das könnte auch den fleißigen Prüfern Verständni­s abringen.

 ?? Foto: Wilke ?? Symphonike­rManager Johannes Neubert.
Foto: Wilke Symphonike­rManager Johannes Neubert.

Newspapers in German

Newspapers from Austria