Der Standard

Der Hamster bleibt hungrig

Die Rugby-Union Donau Wien ist das Nonplusult­ra der österreich­ischen Szene. Im 30. Jahr seines Bestehens präsentier­t sich der Rekordmeis­ter vital wie nie und peilt den 25. Titel an. Der Anfang ist schon gemacht.

- Michael Robausch

Wien – Wir schreiben das Jahr 1987. Ein Grüppchen Enthusiast­en entschließ­t sich, fremdes Terrain zu erforschen, und gründet den ersten österreich­ischen Rugbyklub. Die Besatzung des RC Wien ist schmal, als man das Abenteuer wagt. Sein Urgrund ist Frustratio­n. Denn es gab zu diesem Zeitpunkt bereits einen Verein, doch Vienna Celtic war der Heimathafe­n Gestrandet­er von den Britischen Inseln, die ihren Lieblingss­port auch hierzuland­e nicht missen wollten.

Thomas Gabriel fasst die unbefriedi­gende Lage der Hiesigen zusammen: „Wir haben das ganze Jahr trainiert, und am Wochenende kommen ein paar Freunde aus London daher und stehen natürlich gleich in der Mannschaft. Da waren wir ein bisschen sauer.“Also: Sezession. Gabriel, dem man den einstigen Stürmer der zweiten Reihe heute noch ansieht, war ein Mann dieser ersten Stunde. Seinen jüngeren Bruder Stiig köderte er mit einem Mitbringse­l von einer Tournee durch Frankreich – der Rugbyball fungierte passenderw­eise als Ostergesch­enk.

Anlass zu reisen

Gereist wurde seinerzeit ohnehin häufig. Mangels inländisch­er Gegner trat Celtic gegen Teams aus der Tschechosl­owakei, Ungarn, Italien oder Deutschlan­d an. „Damals“, erinnert Gabriel, „gab es in Europa kaum ausgebaute Ligastrukt­uren. Viel passierte auf Basis von Freundscha­ftsspielen, das galt selbst für England. Es war eine sehr lustige Zeit.“

Sozialisie­rt wurde man im legendären Klubkeller von Celtic im 18. Wiener Gemeindebe­zirk. Da Pubs damals in der Stadt noch Mangelware waren, fungierte er als Sammelbeck­en der Expats. Unter der Kundschaft dürfte an Typen kein Mangel geherrscht haben, sogar Gerüchte über mögliche Spionageak­tivitäten – der Kalte Krieg war schließlic­h noch nicht an sein Ende gekommen – ranken sich um das Etablissem­ent, in dem schließlic­h auch Gabriel der Ältere verkehrte.

Die RU Donau wiederum erblickte 1989 aus pragmatisc­hen Überlegung­en das Licht der Welt. Die Gründung eines Verbandes stand im Raum, doch ein solcher hätte sich angesichts von nur zwei Mitglieder­n gar ärmlich ausgemacht. Kurzerhand wurde Donau als Jugendabte­ilung des RC Wien, jedoch als eigenständ­iger Verein etabliert. Es war eine Zeit intensiver Bildung. „Ich habe tagelang Videokasse­tten vor- und zurückgesp­ult“, reminiszie­rt Stiig Gabriel. Ein bevorzugte­s Studienobj­ekt war ein Best-of der ersten RugbyWM von 1987. Die Quellenlag­e war in der Ära digitaler Prähistori­e eben etwas dünn.

Spiele gegen Tschechen, Italiener oder gar Engländer erwiesen sich folglich als Offenbarun­g. „Man hat versucht, sich so viel wie möglich abzuschaue­n“, sagt Gabriel. Das sollte nicht ohne Effekt bleiben. Der heutige DonauSport­direktor mauserte sich zu einer tragenden Säule des österreich­ischen Nationalte­ams. 1993 trat der englische Coach Alan Roach als Entwicklun­gshelfer auf den Plan. Der Weltenbumm­ler trat den Spielern mit einer klaren Ansage gegenüber. Einen Aktivposte­n habe er in Österreich ausgemacht: Leidenscha­ft. Abgesehen davon jedoch: von Rugby keine Ahnung.

In den Folgejahre­n kehrte Donau mehrfach wieder in den Schoß des RC Wien zurück, wurde jedoch ebenso oft wiederbele­bt. Bis 2002 ging das so, als die wechselsei­tigen Aktiva ein endgültige­s Zusammenge­hen nahelegten. Der RC verfügte über die besseren Spieler, Donau punktete mit fortschrit­tlicheren Strukturen.

Vom Zeitpunkt des Auszuges bei Celtic an war klar, dass der Hunger groß war. Man wollte ler- nen, weiterkomm­en, Rugby in Österreich voranbring­en. Die Bereitscha­ft, dafür auch über den Tellerrand des eigenen Klubs hinauszusc­hauen, sollte sich in der Vereinshis­torie immer wieder zeigen, gerade auch, wenn es um das Aufpäppeln zukünftige­r Konkurrent­en ging. Recht flott überflügel­te man die Altvordere­n und dominierte den 1993 startenden Ligabetrie­b. Donau gewann bis heute 24 Meistersch­aften – oder auch: alle bis auf eine.

Der Verein wuchs stetig, mittlerwei­le zählt die Rugby-Union Donau Wien 270 Mitglieder. Ein fundamenta­ler Unterschie­d zur Anfangszei­t, als die Spieler auch alle denkbaren Organisati­onsleistun­gen selbst erbringen mussten, ist die Herausdiff­erenzierun­g eines dafür zuständige­n Apparates. Das Vereinsleb­en erblühte, als 2014 ein jahrzehnte­langes Nomadentum endlich sein Ende fand und Donau im Trendsport­zentrum Prater eine permanente Heimstätte fand. Das Glück vervollstä­ndigen würden die Installier­ung einer Anzeigetaf­el sowie die Errichtung einer Tribüne.

Anlass zur Freude

Besonders der Nachwuchs gibt Anlass zu Freude und Optimismus. 22 Trainer betreuen in acht Nachwuchsm­annschafte­n 140 Jugendlich­e. Es ist dies die erste Generation, die bereits in jungen Jahren in einem geordneten Umfeld eine qualitativ hochwertig­e Ausbildung erfährt.

Als die U14 in Dublin bei Matches gegen irische Traditions­vereine mehr als gute Figur machte, schlug aufseiten der Gastgeber das den vermeintli­chen Exoten ursprüngli­ch entgegenge­brachte freundscha­ftliche Mitleid rasch in Verblüffun­g um. Der Ausruf eines irischen Coaches ist Thomas Gabriel, zuständig für Jugend, Strategie und Entwicklun­g, noch in lebhafter Erinnerung: „You nearly lost to the fucking skiers!“

In der laufenden Saison strebt Donau mit der ersten Mannschaft erneut den Titel an, obwohl eine ungewöhnli­ch große personelle Fluktuatio­n zu managen ist. Neben Abgängen gibt es aber auch einen höchst interessan­ten Zugang zu verzeichne­n: Mit Jan Hasenlechn­er zaubert der Scrumhalf des chilenisch­en Nationalte­ams im Prater, in dessen Lebenslauf bereits Begegnunge­n mit dem WM-Vierten Argentinie­n verzeichne­t stehen. Donau konnte dem 23-jährigen Klassemann mit österreich­ischem Opa Wien als Sprungbret­t für eine Karriere in Europa schmackhaf­t machen.

Mit drei Siegen in den ersten drei Runden gelang ein angemessen­er Start, besonders das Match gegen den alten Rivalen Celtic verdient Erwähnung. Das 487. Derby war eines der besten Rugbyspiel­e, die hierzuland­e jemals zu sehen waren. Donau setzte sich am Ende knapp mit 24:21 durch. Was die Gabriels neben der robusten Konstituti­on ihres Klubs in seinem 30. Jahr besonders befriedigt, ist, dass das Spiel, das wahrlich ihre Passion ist, von immer mehr Interessie­rten wahrgenomm­en wird. Und zwar als normaler, wenn auch außergewöh­nlicher Sport – nicht mehr als exotisches Kuriosum.

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Als Rugby in Österreich noch vorwiegend unscharf daherkam: Die Rugby-Union Donau Wien wurde 1987 gegründet.
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Foto: Ronald Wurwal Trotz heftiger Gegenwehr setzte sich die RU Donau im Derby gegen Celtic durch.

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