Der Hamster bleibt hungrig
Die Rugby-Union Donau Wien ist das Nonplusultra der österreichischen Szene. Im 30. Jahr seines Bestehens präsentiert sich der Rekordmeister vital wie nie und peilt den 25. Titel an. Der Anfang ist schon gemacht.
Wien – Wir schreiben das Jahr 1987. Ein Grüppchen Enthusiasten entschließt sich, fremdes Terrain zu erforschen, und gründet den ersten österreichischen Rugbyklub. Die Besatzung des RC Wien ist schmal, als man das Abenteuer wagt. Sein Urgrund ist Frustration. Denn es gab zu diesem Zeitpunkt bereits einen Verein, doch Vienna Celtic war der Heimathafen Gestrandeter von den Britischen Inseln, die ihren Lieblingssport auch hierzulande nicht missen wollten.
Thomas Gabriel fasst die unbefriedigende Lage der Hiesigen zusammen: „Wir haben das ganze Jahr trainiert, und am Wochenende kommen ein paar Freunde aus London daher und stehen natürlich gleich in der Mannschaft. Da waren wir ein bisschen sauer.“Also: Sezession. Gabriel, dem man den einstigen Stürmer der zweiten Reihe heute noch ansieht, war ein Mann dieser ersten Stunde. Seinen jüngeren Bruder Stiig köderte er mit einem Mitbringsel von einer Tournee durch Frankreich – der Rugbyball fungierte passenderweise als Ostergeschenk.
Anlass zu reisen
Gereist wurde seinerzeit ohnehin häufig. Mangels inländischer Gegner trat Celtic gegen Teams aus der Tschechoslowakei, Ungarn, Italien oder Deutschland an. „Damals“, erinnert Gabriel, „gab es in Europa kaum ausgebaute Ligastrukturen. Viel passierte auf Basis von Freundschaftsspielen, das galt selbst für England. Es war eine sehr lustige Zeit.“
Sozialisiert wurde man im legendären Klubkeller von Celtic im 18. Wiener Gemeindebezirk. Da Pubs damals in der Stadt noch Mangelware waren, fungierte er als Sammelbecken der Expats. Unter der Kundschaft dürfte an Typen kein Mangel geherrscht haben, sogar Gerüchte über mögliche Spionageaktivitäten – der Kalte Krieg war schließlich noch nicht an sein Ende gekommen – ranken sich um das Etablissement, in dem schließlich auch Gabriel der Ältere verkehrte.
Die RU Donau wiederum erblickte 1989 aus pragmatischen Überlegungen das Licht der Welt. Die Gründung eines Verbandes stand im Raum, doch ein solcher hätte sich angesichts von nur zwei Mitgliedern gar ärmlich ausgemacht. Kurzerhand wurde Donau als Jugendabteilung des RC Wien, jedoch als eigenständiger Verein etabliert. Es war eine Zeit intensiver Bildung. „Ich habe tagelang Videokassetten vor- und zurückgespult“, reminisziert Stiig Gabriel. Ein bevorzugtes Studienobjekt war ein Best-of der ersten RugbyWM von 1987. Die Quellenlage war in der Ära digitaler Prähistorie eben etwas dünn.
Spiele gegen Tschechen, Italiener oder gar Engländer erwiesen sich folglich als Offenbarung. „Man hat versucht, sich so viel wie möglich abzuschauen“, sagt Gabriel. Das sollte nicht ohne Effekt bleiben. Der heutige DonauSportdirektor mauserte sich zu einer tragenden Säule des österreichischen Nationalteams. 1993 trat der englische Coach Alan Roach als Entwicklungshelfer auf den Plan. Der Weltenbummler trat den Spielern mit einer klaren Ansage gegenüber. Einen Aktivposten habe er in Österreich ausgemacht: Leidenschaft. Abgesehen davon jedoch: von Rugby keine Ahnung.
In den Folgejahren kehrte Donau mehrfach wieder in den Schoß des RC Wien zurück, wurde jedoch ebenso oft wiederbelebt. Bis 2002 ging das so, als die wechselseitigen Aktiva ein endgültiges Zusammengehen nahelegten. Der RC verfügte über die besseren Spieler, Donau punktete mit fortschrittlicheren Strukturen.
Vom Zeitpunkt des Auszuges bei Celtic an war klar, dass der Hunger groß war. Man wollte ler- nen, weiterkommen, Rugby in Österreich voranbringen. Die Bereitschaft, dafür auch über den Tellerrand des eigenen Klubs hinauszuschauen, sollte sich in der Vereinshistorie immer wieder zeigen, gerade auch, wenn es um das Aufpäppeln zukünftiger Konkurrenten ging. Recht flott überflügelte man die Altvorderen und dominierte den 1993 startenden Ligabetrieb. Donau gewann bis heute 24 Meisterschaften – oder auch: alle bis auf eine.
Der Verein wuchs stetig, mittlerweile zählt die Rugby-Union Donau Wien 270 Mitglieder. Ein fundamentaler Unterschied zur Anfangszeit, als die Spieler auch alle denkbaren Organisationsleistungen selbst erbringen mussten, ist die Herausdifferenzierung eines dafür zuständigen Apparates. Das Vereinsleben erblühte, als 2014 ein jahrzehntelanges Nomadentum endlich sein Ende fand und Donau im Trendsportzentrum Prater eine permanente Heimstätte fand. Das Glück vervollständigen würden die Installierung einer Anzeigetafel sowie die Errichtung einer Tribüne.
Anlass zur Freude
Besonders der Nachwuchs gibt Anlass zu Freude und Optimismus. 22 Trainer betreuen in acht Nachwuchsmannschaften 140 Jugendliche. Es ist dies die erste Generation, die bereits in jungen Jahren in einem geordneten Umfeld eine qualitativ hochwertige Ausbildung erfährt.
Als die U14 in Dublin bei Matches gegen irische Traditionsvereine mehr als gute Figur machte, schlug aufseiten der Gastgeber das den vermeintlichen Exoten ursprünglich entgegengebrachte freundschaftliche Mitleid rasch in Verblüffung um. Der Ausruf eines irischen Coaches ist Thomas Gabriel, zuständig für Jugend, Strategie und Entwicklung, noch in lebhafter Erinnerung: „You nearly lost to the fucking skiers!“
In der laufenden Saison strebt Donau mit der ersten Mannschaft erneut den Titel an, obwohl eine ungewöhnlich große personelle Fluktuation zu managen ist. Neben Abgängen gibt es aber auch einen höchst interessanten Zugang zu verzeichnen: Mit Jan Hasenlechner zaubert der Scrumhalf des chilenischen Nationalteams im Prater, in dessen Lebenslauf bereits Begegnungen mit dem WM-Vierten Argentinien verzeichnet stehen. Donau konnte dem 23-jährigen Klassemann mit österreichischem Opa Wien als Sprungbrett für eine Karriere in Europa schmackhaft machen.
Mit drei Siegen in den ersten drei Runden gelang ein angemessener Start, besonders das Match gegen den alten Rivalen Celtic verdient Erwähnung. Das 487. Derby war eines der besten Rugbyspiele, die hierzulande jemals zu sehen waren. Donau setzte sich am Ende knapp mit 24:21 durch. Was die Gabriels neben der robusten Konstitution ihres Klubs in seinem 30. Jahr besonders befriedigt, ist, dass das Spiel, das wahrlich ihre Passion ist, von immer mehr Interessierten wahrgenommen wird. Und zwar als normaler, wenn auch außergewöhnlicher Sport – nicht mehr als exotisches Kuriosum.