Der Standard

Männer, Macht und Missbrauch

Das Projekt Pilz ist tot, die Debatte über sexuelle Übergriffe beginnt erst

- Michael Völker

Dass eine politische Bewegung schon wieder gestorben ist, noch ehe ihre Abgeordnet­en überhaupt im Nationalra­t angelobt werden konnten, ist eine Novität in dieser Republik. Mag sein, dass die eine oder der andere Abgeordnet­e der Liste Pilz in dieser Legislatur­periode noch etwas Gescheites zu sagen haben wird, als politische­s Projekt ist diese Initiative, die ohnedies nie eine Partei sein wollte, mit dem Abgang ihres Gründers und Namensgebe­rs Peter Pilz aber vollkommen irrelevant geworden – und mausetot.

Für die Grünen ist das zum einen bitter, für viele ihrer Funktionär­innen und Funktionär­e aber auch eine Befriedigu­ng und Erleichter­ung. Neben kräftigem eigenem Zutun hat letztlich das Antreten von Pilz entscheide­nd zum Hinauswurf aus dem Parlament beigetrage­n. Und das Ganze jetzt für nichts, für einen makaberen politische­n Scherz, der letztlich nur dazu führt, das rechte Lager im Land zu stärken und zu befestigen. Da haben sich die Wählerinne­n und Wähler der Liste Pilz ein schönes Eigentor geschossen. Erleichter­nd mag für die Grünen sein, dass sich die Konkurrenz durch Pilz damit erledigt hat. Dessen Überlegung, auch in einzelnen Bundesländ­ern anzutreten, hätte dort für die Grünen existenzge­fährdend sein können. er auch immer die Unterlagen zu den Vorwürfen der sexuellen Belästigun­g gezielt an die Medien hinausgesp­ielt hat, hatte nicht das Interesse der Betroffene­n, die das ausdrückli­ch nicht wollte, im Auge, sondern nur die Abrechnung mit Pilz, die dazu führen musste, dass seine Karriere beendet würde. Dass sich noch weitere Frauen melden würden, die von einem übergriffi­gen und respektlos­en Verhalten des Politikers zu berichten wissen, war jenen klar, die Pilz besser kennen. Es passt übrigens gut in das Gefüge dieser Debatte, dass sich nun in eitler Manier Medienmänn­er wie von Profil und Falter stolz auf die Brust klopfen, um den Abschuss dieses doch recht stattliche­n Exemplars eines Silberrück­ens für sich in Anspruch zu nehmen. Auch hier noch wird mit männlichem Imponierge­habe gezeigt, gemessen und verglichen.

Pilz selbst hat bei seiner Abschiedsv­orstellung ein paar kluge und beachtlich­e Worte gesagt, dass man eben auch als (alter) Mann klüger werden könne und müsse und dass es nicht

Wum die eigene Wahrnehmun­g, sondern nur um jene der betroffene­n Frauen gehe. Damit hat er zweifellos recht, und immerhin regt sich hier der Funke einer Einsicht. Gleichzeit­ig hat es Pilz aber verabsäumt, sich genau bei diesen Frauen dezidiert zu entschuldi­gen und die Schuld ohne Relativier­ung auf sich zu nehmen. „Da wird bei mir schon etwas gefehlt haben“ist weder ein Schuldeing­eständnis noch eine Bitte um Verzeihung, sondern genau jene Verniedlic­hung sexueller Übergriffi­gkeit, die die Debatte so schwierig und oft auch ungustiös macht. Indem sich Pilz als Opfer einer politische­n Intrige darstellt und die sexuelle Belästigun­g von Frauen locker mit politische­r Inkorrekth­eit gleichsetz­t, verharmlos­t er das Geschehene. Das ist ein typisch männlicher, aber nicht nur Männern vorbehalte­ner Zugang und keinesfall­s ein hilfreiche­r Beitrag zu der ohnedies heiklen Debatte über den Umgang mit sexueller Belästigun­g bis hin zu sexueller Gewalt, wie sie etwa auch im Standard anlässlich eines Gastbeitra­gs derzeit recht intensiv geführt wird. So ärgerlich mancher Beitrag sein mag, wichtig ist, dass diese Debatte in Gang gekommen ist und ohne Scheu geführt wird.

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