Der Standard

Ausgerechn­et die Queen

Verbindung der britischen Königin befeuert die Debatte über britische Steueroase­n

- Jochen Wittmann aus London

Ausgerechn­et die Queen. Elizabeth II „investiert­e Millionen in Offshore-Steueroase­n“, titelte am Montagmorg­en die Times. Dass die allseits verehrte Monarchin es für nötig befunden hatte, ihr Geld außer Landes zu schaffen, war für viele Briten ein Schock. Zum privaten Besitztum der Queen gehört das Herzogtum Lancaster, das ihr ein jährliches Einkommen von rund 20 Millionen Pfund verschafft.

Es hatte 2004 fünf Millionen Pfund im Steuerpara­dies Bermuda und ein Jahr später nochmals 7,5 Millionen Dollar in der Steueroase Cayman Islands investiert, wo sich die Vermögensv­erwalter des Herzogtums in einen Investment­fonds namens Dover Capital einkauften. Niemand deutet an, dass die Anlagen illegal gewesen oder dass Steuern hinterzoge­n worden wären. Aber die Verbindung von Queen und Steueroase­n hat zu geharnisch­ten Protesten geführt. Die Labour-Abgeordnet­e Margaret Hodge kritisiert­e die royalen Vermögensv­erwalter: „Man muss sauberer als sauber sein und darf sich niemals dieser schmutzige­n Welt von Geldwäsche, Steuerverm­eidung und Steuerfluc­ht nähern.“

Zu den eher dubioseren Anlagen von Dover Capital gehörte der Ankauf von Threshers, einer Kette von Wein- und Spirituose­ngeschäfte­n, die 2009 mit Millionen an unbezahlte­n Steuerschu­lden pleiteging. Noch fragwürdig­er war die Akquisitio­n von Brighthous­e.

Brighthous­e ist eine Kaufhauske­tte mit rund 300 Geschäften in Großbritan­nien, die sich dubioser Praktiken bedient. Ihre Zielkundsc­haft sind Geringverd­iener, die sich die Anschaffun­g von Haushaltsw­aren nicht leisten können. Brighthous­e bietet ihnen Ratenzahlu­ngen an – da kann man ein schwarzes Ledersofa für schlappe 14 Pfund die Woche bekommen, muss allerdings noch 155 weitere Wochen zahlen. In besonders ungünstige­n Deals können die Wucherzins­en bis zu 99 Prozent betragen. Die Financial Conduct Authority bezeichnet­e Brighthous­e als einen unverantwo­rtlichen Kreditgebe­r und verdonnert­e das Unternehme­n dazu, rund 250.000 Kunden 14,8 Millionen Pfund zurückzuer­statten.

Die Enthüllung­en der Paradise Papers und die Involvieru­ng der Queen haben in Großbritan­nien wieder die Debatte um das Problem der Steuerfluc­ht in ehemalige britischen Kolonien angeheizt. Viele Steueroase­n – nicht nur die Kanalinsel­n wie Jersey oder Guernsey, sondern auch ein halbes Dutzend Karibikins­eln – sind von Großbritan­nien abhängige Überseegeb­iete oder Kronkoloni­en, die sich für eine diskrete Kapitalflu­cht und Steuerhint­erziehung anbieten. Für die Londoner Finanzwirt­schaft sind diese Steueroase­n ein nicht unbedeuten­der Wirtschaft­sfaktor, arbeiten in der City doch Heerschare­n von Anwälten, Finanzbera­tern, Steuerexpe­rten und Trustverwa­ltern in der lukrativen Industrie der „Steuerverm­eidung“, wie der bevorzugte Ausdruck für Anlagen in Offshore-Zentren lautet.

Obwohl britische Premiermin­ister von Gordon Brown über David Cameron bis zu Theresa May immer wieder gelobt haben, mit dem Problem der Steueroase­n aufzuräume­n, ist nicht viel geschehen. Britische Opposition­spolitiker gingen am Montag mit der Regierung hart ins Gericht. Die Paradise Papers, sagte der Labour-Abgeordnet­e David Lammy, würden belegen, dass die Steuerverm­eidung in industriel­lem Maßstab weitergehe, „und es sind die Ärmsten, die den Preis zahlen müssen“.

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Foto: AFP / Yui Mok Geschäfte ihres Herzogtums belasten den Ruf der Queen.

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