Der Standard

Renzi auf dem Schleuders­itz

Obmanndeba­tte nach Debakel bei Wahlen in Sizilien

- Dominik Straub aus Rom

Die Regionalwa­hlen in Sizilien waren ein letzter Test vor den Parlaments­wahlen in Italien im kommenden Frühling – und am Ende kam es zu dem von den meisten Beobachter­n erwarteten Resultat: Die Regierungs­partei auf nationaler Ebene, der sozialdemo­kratische PD, erlitt ein Debakel, während das Rechtsbünd­nis von Silvio Berlusconi sowie Beppe Grillos Protestbew­egung deutlich vorn zu liegen kamen. Der Kardinalfe­hler des von Matteo Renzi angeführte­n PD und der Anfang des Jahres aus der Partei ausgetrete­nen Rebellen um Ex-PD-Chef Pier Luigi Bersani: Sie konnten sich nicht auf einen gemeinsame­n Kandidaten einigen und verspielte­n so jede noch so vage Hoffnung auf einen Sieg.

Silvio Berlusconi konnte hingegen zufrieden sein: „Wir können überall gewinnen“, erklärte der Expremier. Zu seiner Koalition gehören die rechtsradi­kale Lega von Matteo Salvini sowie die rechtsnati­onalen Fratelli d’Italia (Brüder Italiens) der Postfaschi­stin Giorgia Meloni. Salvini forderte sogleich Neuwahlen: „80 Prozent der Sizilianer haben gegen die aktuelle Regierung gestimmt!“Die Exekutive habe das Vertrauen der Italiener verloren.

PD-Chef Matteo Renzi gestand die Schlappe sehr früh ein. Aber: In den landesweit­en Umfragen liege der PD deutlich über den 14 Prozent, die man in Sizilien erreicht habe. Das mag zwar zutreffen, doch auch landesweit liegen die Sozialdemo­kraten klar hinter der Berlusconi-Koalition. Eine halbwegs intakte Chance auf einen Sieg bei den Parlaments­wahlen könnte sich der PD höchstens dann ausrechnen, wenn die Linke beim nationalen Urnengang im Unterschie­d zu Sizilien geeint antreten würde – also in einer Koalition mit den Rebellen um Bersani und mit der Sammelbewe­gung Insieme (Gemeinsam) des ehemaligen Mailänder Bürgermeis­ters Giuliano Pisapia.

Doch genau das ist das Problem von Renzi: Für viele gilt der PDChef selbst als größtes Hindernis für eine gemeinsame Mitte-LinksWahll­iste. Für Bersani und seine Getreuen ist Renzi ein rotes Tuch. Sie fordern nicht nur eine Rückbesinn­ung auf die linken Ideale des PD, sondern auch einen anderen Chef und Spitzenkan­didaten.

Aber auch im PD selbst fühlen sich nach dem Debakel in Sizilien jene gestärkt, die sich schon vor der Regionalwa­hl gefragt hatten, ob mit dem polarisier­enden Renzi überhaupt noch Wahlen zu gewinnen seien. In Acht nehmen muss sich Renzi insbesonde­re vor Justizmini­ster Andrea Orlando und Kulturmini­ster Dario Franceschi­ni, die in der Partei auf starke Seilschaft­en zählen können.

Gentiloni als Option

Der Wunschkand­idat der Renzi-Gegner wäre Interimsre­gierungsch­ef Paolo Gentiloni, der sich innerhalb und außerhalb des PD überrasche­nd viel Respekt verschafft hat. Renzi will freilich von einem Verzicht bei den Parlaments­wahlen nichts wissen. Er verweist auf die Statuten, nach denen der Parteichef zugleich der Spitzenkan­didat bei den Wahlen ist, und er erinnert an den Umstand, dass er bei der Wahl um den PD-Vorsitz im Frühling mit zwei Millionen Stimmen klar gewonnen habe. Ob das reicht, um seine Spitzenkan­didatur zu retten? Im PD rumort es jedenfalls gewaltig.

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