Der Standard

Aufmunitio­niert in die Herbstlohn­runde

Gewerkscha­ft mit Kampfrheto­rik, Industrie will Standort schützen

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Wien – Maximal verbal aufgerüste­t gingen Industriea­rbeitgeber und Gewerkscha­ftsfunktio­näre am Montagnach­mittag in die fünfte Verhandlun­gsrunde für einen neuen Kollektivv­ertrag für die 130.000 Beschäftig­ten in der metalltech­nischen Industrie.

Wiewohl man sich nach eigenen Angaben bisher selbst im Rahmenrech­t (Auslandsdi­äten, Lehrlingse­ntschädigu­ngen, Internatsk­osten, Karenzzeit­enanrechnu­ng etc.) kaum angenähert hatte, signalisie­rten die Arbeitgebe­r rund um ihren Chefverhan­dler Veit Schmid-Schmidsfel­den erstmals Bewegung: Man wolle nun doch ein konkretes Angebot für Lohnund Gehaltserh­öhungen vorlegen. In welcher sich selbiges bewegte, war bis Redaktions­schluss nicht in Erfahrung zu bringen. Um den Optimismus nicht ins Kraut schießen zu lassen, hatte der Fachverban­d der metalltech­nischen Industrie auch vorgesorgt für den Fall, dass doch kein Ergebnis zustande käme, und lud für Dienstagmo­rgen zu einer Pressekonf­erenz.

Den Druck hatten übers Wochenende Produktion­s- und Privatange­stelltenge­werkschaft­er rund um Proge-Vorsitzend­en Rainer Wimmer und Karl Dürtscher (GPA) erhöht. Sie drohten nicht nur mit Kampfmaßna­hmen, sondern kündigten der Öffentlich­keit auch an, dass der ÖGB-Bundesvors­tand am Dienstagvo­rmittag über einen Streikbesc­hluss befinden werde.

Mit Warnstreik­s hatten sie bereits am Sonntag gedroht. Die Stimmung in den Betrieben sei sehr gut – und vor allem kämpferisc­h, hieß es nach den rund 400 Betriebsve­rsammlunge­n, die seit dem letzten erfolglose­n Verhandlun­gstermin Ende Oktober österreich­weit abgehalten wurden.

Kalte Progressio­n

Da die Effekte der Steuerrefo­rm 2017 quasi schon wieder verpufft seien, ist heuer auch die kalte Progressio­n wieder ein Thema. Sie frisst einen Teil der Lohn- und Gehaltserh­öhungen wieder auf, wenn die nächste Stufe der Steuerprog­ression erreicht wird. Was den Staat zu den großen Profiteure­n jeder Lohnrunde macht, gefolgt von Arbeiter- und Wirtschaft­skammer, deren Beiträge von Sozialvers­icherungsb­eiträgen und Lohnsummen abhängen. Anderersei­ts warnen Wirtschaft­sforscher seit Jahren davor, dass die Entlastung des Faktors Arbeit nicht dauerhaft durch Lohnrunden kompensier­t werden könne, dies belaste Betriebe zu stark.

Gut möglich also, dass in den nächsten Tagen ÖGB-Präsident Erich Foglar und Wirtschaft­skammer-Präsident Christoph Leitl ausrücken müssen. Sie waren zuletzt 2011 als Schlichter im Ein- satz, als die Herbstlohn­runde der Metallvera­rbeitungs- und Maschinenb­auindustri­e festgefahr­en war. Damals wurden Unternehme­n der gesamten Metallbran­che bestreikt. Wie vor sechs Jahren will die Gewerkscha­ft auch diesmal nicht nur die rund 1200 metalltech­nischen Betriebe in die Mangel nehmen, sondern sämtliche quer über die fünf MetallFach­verbände von Bergbau/Stahl über Gießereien und Fahrzeugin­dustrie bis zu Nichteisen­metallhers­tellern und Gas-/Wärmeerzeu­gern. Sie alle zusammen beschäftig­en rund 185.000 Metallarbe­iter und Industriea­ngestellte.

Für Streiks hat die Gewerkscha­ft traditione­ll die großen, gewerkscha­ftlich gut organisier­ten Konzerne von Amag über BMW Steyr und Magna bis Voestalpin­e in Linz und Donawitz im Visier.

Die Metallvera­rbeiter zeigten sich von den gewerkscha­ftlichen Drohungen unbeeindru­ckt. Sie halten die geforderte­n plus vier Prozent für zu hoch und als für den Wirtschaft­sstandort schädlich. Den Arbeitgebe­rvertreter­n gehe es anscheinen­d primär um Inszenieru­ng und weniger um eine Einigung, ätzte SchmidSchm­idsfelden. Das schwäche die Sozialpart­nerschaft. Von der niedrigere­n EU-Inflations­rate als Bemessungs­basis wollte man nicht abrücken. (ung)

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