„Mit den Augen des Geparden Antilopen jagen“
Dank neuer Technologien boomen Naturfilme, etwa ab heute, Dienstag, 20.15 Uhr, im ORF-Dreiteiler über den Brahmaputra. „Universum“-Chef Andrew Solomon über Drohnen, Anfütterung und Sprecherinnentabu.
Standard: Im Moment schielen Naturfilmliebhaber nach Großbritannien. David Attenborough setzt mit „Blue Planet II“neue Maßstäbe. Sind Sie neidisch? Solomon: Ich bin ein bisschen neidisch auf die BBC, die 23 bis 34 Millionen Euro für so eine Reihe lockermachen kann. Aber ich kann sagen, das ist eine schöne Herausforderung für uns, weil wir diese ganz großen Summen nicht haben. Das spornt uns an, andere Lösungen zu finden.
Standard: Was schauen Sie sich von der BBC ab? Solomon: Vor allem geht es um die Erwartungen der Zuschauer. Die wachsen sehr schnell. Ein gutes Beispiel sind Drohnen, die es noch vor vier Jahren kaum gab. Wenn man heute eine Tierdoku ohne Drohnenaufnahmen sieht, kann es sein, dass man sich übers Ohr gehauen fühlt. Wo sind die schönen Luftaufnahmen? Die Technologie entwickelt sich rasend. Letztes Jahr gab es Planet Earth II mit einer Szene mit einem Schneeleoparden. Vor fünf Jahren galt es als unglaublich schwierig, einen Schneeleoparden zu filmen. Hier haben die Filmer eine Vielzahl ultrahochauflösender Kameras eingebaut. Weil die kleinen und extrem feinen Kameras nicht mehr so teuer sind, kann man sie wochenlang am Ort lassen.
Standard: Wo gab es die größten technischen Sprünge in der Naturfilmerei? Solomon: Low-Light-Kameras können in der Dunkelheit sehr viel bessere Aufnahmen machen als früher. Weiters gibt es Zeitraffer, bei denen sich die Kamera bewegt, das kennt man seit zwei, drei Jahren. Die winzigen Kameras sind mittlerweile leicht stabilisierbar. So haben wir gefilmt, wie Schimpansen sich Zähne putzen. Neuerdings hängt man Kameras um den Hals von Tieren, da kann man mit den Augen eines Geparden Antilopen jagen. Es ist eine neue Perspektive, dadurch lernen wir die Tierwelt neu zu verstehen.
Standard: Gibt es Anfütterungsverbot Naturfilmen? Solomon: Es gibt Regeln, die sind in den letzten 30 Jahren strenger geworden. Das ist faszinierend, denn es ist so ähnlich wie bei den Menschen. Wir sorgen uns um Tiere mehr. Schon seit 20 Jahren ist es eine feste Regel, dass man kein Tier mit Rückgrat einem anderen Tier mit Rückgrat zu fressen geben darf.
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Standard: Das heißt, eine Fliege für die Echse ist noch okay? Solomon: Ja, ich denke schon. Aber wer weiß, was kommt. Zum Beispiel soll man vermeiden, ein Tier in eine Situation zu setzen, in der es etwas macht, das es in natürlicher Umgebung nie tun würde.
Standard: Am Dienstag startet der Dreiteiler „Brahmaputra“. Was macht den Fluss so besonders? Solomon: Erstens gab es noch nie einen Film über den Brahmaputra, zweitens ist das wirklich ein einzigartiger Fluss, der einzige, der durch alle Klimazonen der Welt fließt. Man kann an ihm geologisch sehen, wie sich die Welt entwickelt hat, er ist ein Motor des Monsuns. Am Anfang des dritten Teils sehen wir Fischer in Bangladesch, die mit Delfinen und Ottern fischen. In der Schlucht von Yarlung Tsangpo – der tiefsten und längsten der Welt – ist in der Tat noch nie gefilmt worden. Da durfte auch unser Team nicht hin, es filmten Leute aus China.
Standard: Sprecher Otto Clemens ist mittlerweile 71 – was, wenn er nicht mehr will? Solomon: Wir arbeiten seit fünf, sechs Jahren nicht exklusiv mit Otto Clemens. Wir arbeiten extrem gerne mit ihm, weil er un- ersetzlich ist. Otto Clemens ist super, er vertritt die Marke. Das ist ein aktives Anliegen von uns, weitere hervorragende Sprecher für Universum zu finden und mit ihnen zu arbeiten. Dabei denken wir auch an Sprecherinnen.
Standard: Die Frauenquote ist im Moment noch eher katastrophal. Woran liegt es? Solomon: Es gibt Menschen, die meinen, dass eine weibliche Stimme schlecht für die Quote ist. Ich gehöre nicht zu ihnen. In unseren internationalen Fassungen haben wir regelmäßig weibliche Stimmen dabei, wir mögen das. Ich sehe keinen Grund, dass es auch auf Deutsch nicht so sein soll.
ANDREW SOLOMON (62) leitet seit 2011 „Universum“. Klaus Feichtenberger, Jeremy Hogarth und Heinz Leger liefern Hochglanzbilder vom Brahmaputra.