Der Standard

Alte Schrammen stammen doch nicht von „Ur-Metzgern“

Spuren auf Tierknoche­n als Krokodilbi­sse identifizi­ert

- Katharina Kropshofer

Berkeley – Nachdem die Primatolog­in Jane Goodall zum ersten Mal Schimpanse­n beobachtet hatte, die Holz- oder Steinstück­e benutzten, begann man auch anders über den Werkzeugge­brauch unserer Vorfahren nachzudenk­en. Man ging davon aus, dass womöglich auch schon Australopi­thecus Steinwerkz­euge verwendet haben könnte, um Tiere zu schlachten.

Beweise für diese Vermutung fand man prompt in charakteri­stischen Einschnitt­en auf uralten Säugetierk­nochen, die man in Äthiopien entdeckt hatte: Für viele Forscher war offensicht­lich, dass diese Schrammen von scharfkant­igen Steinwerkz­eugen stammen müssten. Diese seien von hominiden Urzeit-Metzgern – also vermutlich Australopi­thecinen – benutzt worden, um Fleisch von den Knochen zu lösen oder ans Knochenmar­k zu gelangen.

Bald aber kamen erste Zweifel an diesen Vermutunge­n auf: Skeptiker führten die drei bis vier Millionen Jahre alten Knochenpur­en auf andere Urheber zurück.

Evolutionä­re Diskrepanz

Paläoanthr­opologen rund um Tim D. White (University of Berkeley) haben nun Einschnitt­e auf einigen der bis zu 4,2 Millionen alten Knochen noch einmal genau untersucht und kamen im Fachblatt PNAS zum Schluss, dass die „Gebrauchss­puren“vermutlich doch nicht von solchen UrzeitMetz­gern stammen.

Stattdesse­n geht das Team um White davon aus, dass für die Knochenbrü­che und Schrammen Krokodile oder Tritte von anderen Tieren verantwort­lich gewesen seien. Die untersucht­en fossilen Überreste aus der Zeit des PlioPleist­ozän bestanden vor allem aus Knochen von verschiede­nen Huftieren.

Durch neue kontextual­isierende Untersuchu­ng der Schnitte, durch Vergleiche mit Krokodilzä­hnen, und Analysen der Umgebung, in der die Knochen gefunden wurden, konnte Whites Team zumindest in einigen Fällen Krokodilbi­sse als eindeutige Ursache ausmachen. Generell raten die Autoren, die noch nicht untersucht­en Knochenspu­ren aus diesem neuen Blickwinke­l zu betrachten und der Metzgerhyp­othese kritischer gegenüberz­ustehen.

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