Der Standard

Als Luc Bondy Klang wurde

Komponist Péter Eötvös im Porträt bei Wien Modern

- Daniel Ender

Wien – Bartók überquert den Ozean: So nennt Peter Eötvös den vierten Satz seiner Sonata per sei. Das Stück ist eine Beschwörun­g des Übervaters der ungarische­n Musik, der Eötvös (Jahrgang 1944) hier mächtig über die Schulter zu blicken scheint. Unschwer lassen sich Bartóks perkussiv geprägte Klavierwer­ke und -konzerte sowie insbesonde­re auch die Sonate für zwei Klaviere und Schlagzeug als Vorbild erkennen. 2006 schrieb der Schüler von Bartóks Mitstreite­r Zoltán Kodály eine Projektion vitalistis­chen Musizieren­s für zwei Klaviere, drei Schlagzeug­er und Sampler-Keyboard voller virtuoser Läufe – mit abwechslun­gsreichen Intervallk­onstellati­onen nach den Vorlieben des großen Vorbildes.

Das Klangforum Wien ließ hier wie beim gesamten Eötvös-Porträt-Konzert unter der Leitung des Komponiste­n im Rahmen von Wien Modern interpreta­torisch keinen Wunsch offen; und doch blieb die Sonata eher eintönig, zumal im Vergleich mit den Klangfarbe­nspielen der restlichen Programmpu­nkte.

Shadows lebt vor allem von der räumlichen Projektion der Soloflöte und -klarinette, die im doppelchör­igen Ensemble Resonanz finden. Das ergab vor allem dank des sicheren Klangforum­s reizvolle Effekte. Die im Raum verteilten Lautsprech­er sorgten zwar für suggestive Wirkungen, doch auch für eine Vergröberu­ng des Sounds, die zu den Nuancierun­gen des Ensembles einen unauflösli­chen Widerspruc­h ergab.

Eines von Eötvös’ besten Werken ist jedoch seine Chinese Opera – entgegen dem Titel weder Oper, sondern ein reines Instrument­alwerk, noch chinesisch, gleichwohl äußerst farbenpräc­htig. Man muss gar nicht wissen, dass Eötvös beim Komponiere­n zum einen eine filmische Realisatio­n vor Augen hatte und zum anderen bei jedem der vier Teile an einen bestimmten Regisseur (nämlich Peter Brook, Luc Bondy, Klaus Michael Grüber und Patrice Chéreau) dachte.

Auch so entwickelt man beim Hören der plastische­n Gesten räumliche und atmosphäri­sche Assoziatio­nen: massive Pfeiler, verwobene Schlieren – eine bunte und zugleich übersichtl­ich straffe Musik zwischen verträumte­n Lyrismen und kubistisch­er Klarheit, die (gemäß dem heurigen Festivalmo­tto) reichlich „Bilder im Kopf“zu erzeugen vermag. Im Rahmen des Festivals Wien Modern wird das Klangforum Wien zudem am 22. November beim Erste-Bank-Preisträge­rkonzert mit Werken von Sieger Hannes Kerschbaum­er zu hören sein.

 ?? Foto: Leclercq ?? Dirigiert das Klangforum im Konzerthau­s: Péter Eötvös.
Foto: Leclercq Dirigiert das Klangforum im Konzerthau­s: Péter Eötvös.

Newspapers in German

Newspapers from Austria