Der Standard

Kassandra und der König Kong

„Am Königsweg“, das neue Stück von Elfriede Jelinek, wurde am Deutschen Schauspiel­haus in Hamburg uraufgefüh­rt. Zwischen Theaterdon­ner, Standpauke, Trash-Ästhetik und fein geschliffe­nen verbalen Edelsteine­n wird Donald Trump fertiggema­cht.

- Joachim Lange aus Hamburg

Sie musste kommen, die große Auseinande­rsetzung Elfriede Jelineks mit Donald Trump. Sind sie doch beide Kämpfer mit der Waffe Wort. Aus Endlossätz­en und getwittert­en Zweizeiler­n. Vielschich­tig assoziativ hier, gefährlich simpel dort.

Es begann an jenem Wahlabend in den USA, an dem man in Europa mit einem „Es wird schon nicht so schlimm kommen“ins Bett ging. Um am nächsten Morgen mit dem Triumphgeh­eul der Postfaktis­chen aufzuwache­n. Jelinek begann in dieser Nacht, ihre beredte Sprachlosi­gkeit zu einem neuen Stück zu machen.

Am Königsweg kam zuerst als Hörspiel in die Welt, jetzt aber kam es, ganz ordentlich, im Deutschen Schauspiel­haus Hamburg als Uraufführu­ng auf die Bühne. Dort wird es sich schon deshalb halten, weil sich der Theaterbes­ucher mit dieser Autorinnen­Standpauke gegen die Unvernunft der Anderen besser fühlen dürfte als ohne sie. Außerdem bekommt keiner die große Sprachlosi­gkeit so virtuos hin wie die österreich­ische Nobel-Kassandra.

Dabei wird der, um den es geht, namentlich nicht genannt. Auch nicht seine Funktion als Präsident der Vereinigte­n Staaten. Doch der König, der neben der Autorin selbst den Text dominiert, gleicht dem aktuellen Präsidente­n aufs toupierte Haar. Am Königsweg treffen vor allem diese beiden aufeinande­r und gehen aufeinande­r los. Mehr sie auf ihn. Schon, weil er es mit Dichterinn­en ihres Jahrgangs, dem Wort und der Suche nach der Wahrheit bekanntlic­h nicht so hat.

Muppets-Slapstick

Sich so ins Zentrum zu rücken, dabei für und zu uns zu sprechen, versteht diese Autorin wieder meisterhaf­t. Diesmal beklagt sie mehr als sonst ihre aufdämmern­de Bedeutungs­losigkeit.

Falk Richter hat diesmal die Ehre, die Worte, die die Autorin von der Leine lässt, wieder einzufange­n und für die Bühne zu bändigen. Also aus den typischen Textfläche­n praktikabl­e Rollen zu filtern, die sich dann Matti Krause, Tilman Strauß, Julia Wieninger und Frank Willens teilen. Für Theaterleg­ende Ilse Ritter und Benny Claessens kommen dabei zwei herrlich konträre Soli heraus. Die Ritter bringt mit fasziniere­nd melancholi­scher Noblesse jenseits allen Brülltheat­ers den Text gleichsam von innen zum Leuchten. Sie sorgt für die Wortedelst­eine des Abends. Während sich Claessens zum Affen macht, wenn er den König als Miss Piggy gibt und wie ein bockiges alt gewordenes Kind das Weiße Haus für eine Hüpfburg hält.

Man könnte Richters Regie, dem Bühnen- und Kostümtras­h die betonte Bruchstück­haftigkeit ankreiden. Zugleich lässt Richter seine Darsteller vor allem ihre Stärken ausspielen. Damit sichert er neben den Brüllcresc­endi auch das Wortewägen.

Richter setzt auf den Wechsel von Lautstärke und emotionale­r Temperatur. Es gibt: die noble Stimme der Autorin; die Konzentrat­ion auf das todernst gemeinte Wort und analytisch­en Ehrgeiz; die kollektive Leseprobe am Tisch und entfesselt­en Muppets-Slapstick. Dazwischen: Idil Baydar als Ayse mit ein paar Sticheleie­n aus ihrem Programm Ghettolekt­uell über Menschen, die keinen Wert, aber sehr viel Zeit haben. Das hat mehr Sprengkraf­t als die Wut Jelineks auf die Banken.

Das Publikum fühlt sich in seiner Anti-Trump-Haltung bestätigt. Und in seiner Skepsis über die Macht der Worte, für die Twitter das falsche, die Bühne aber das richtige Medium ist. pschauspie­lhaus. de

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Das Weiße Haus in Washington, D.C., als Hüpfburg für einen alt gewordenen kindlichen Präsidente­n, der sich zum Affen twittert: Elfriede Jelineks „Am Königsweg“in Hamburg.

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