Der Standard

Realitätsv­erweigerun­g

- Gianluca Wallisch

Er war der Umfragenka­iser, der Strahleman­n. Und als Matteo Renzi mit 39 Jahren Ministerpr­äsident wurde (ja, das galt damals noch als sehr jung), lag ihm ganz Italien zu Füßen. Da war er der „rottamator­e“(Verschrott­er), der das alte, korrupte Italien zerstören wollte.

Doch zerstört hat Renzi vor allem seine Partei – und auch sich selbst. Der sensatione­lle Sieg seiner Sozialdemo­kraten bei der Europawahl im Mai 2014 war sein erster Erfolg, er sollte aber auch sein letzter gewesen sein: Schnell kam Renzi in den Ruf, allzu abgehoben zu sein – und so zwangen die Italiener den Überfliege­r zur Bruchlandu­ng: Vor knapp einem Jahr ließen sie seine Verfassung­sreform per Referendum durchfalle­n. Renzi musste zurücktret­en, weil er (ähnlich wie zuvor sein britischer Kollege David Cameron beim Brexit-Votum) sein persönlich­es politische­s Schicksal davon abhängig gemacht hatte.

Seitdem hofft Renzi auf ein Comeback, aber dieses wird es wohl nicht geben: Er hat sein Kapital verspielt, nicht nur bei den Wählern, sondern auch in der Partei. Das Debakel bei der Regionalwa­hl in Sizilien vom Wochenende wird sie ihm nicht verzeihen. Längst sind die Stimmen jener nicht mehr zu überhören, die im Frühjahr 2018 einen anderen am Ruder der Partei sehen wollen. Schließlic­h geht es darum, einen Sieg von Silvio Berlusconi oder Beppe Grillo zu verhindern. Dass Renzi dieser Retter sein kann, dürfte mittlerwei­le fast nur noch Renzi selbst glauben.

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