Der Standard

„Keine Neuverhand­lungen“

Der frühere iranische Außenminis­ter Kamal Kharazi schließt Neuverhand­lungen oder Zusätze zum Atomdeal aus: Schon gar nicht stünden die iranischen Verteidigu­ngskapazit­äten wie das Raketenpro­gramm zur Debatte. Auch nicht die regionale Rolle des Iran.

- Gudrun Harrer

Kamal Kharazi, der Ex-Außenminis­ter des Iran, über das Atomprogra­mm, den „Islamische­n Staat“und die Saudis.

Wien – Ein von der Politische­n Akademie der ÖVP veranstalt­etes „Europa-Forum“hat den früheren iranischen Chefdiplom­aten Kamal Kharazi nach Wien gebracht – und die EU spielt als Verteidige­rin des iranischen Atomdeals vor den Zerstörung­sabsichten USPräsiden­t Donald Trumps in der Tat derzeit eine wichtige politische Rolle für Teheran. Wenn die USA wirklich aussteigen, hängen die Chancen auf den Erhalt des Deals davon ab, ob die Europäer ihre Unabhängig­keit beweisen und zu ihren Verpflicht­ungen stehen, sagt Kharazi im Gespräch mit dem STANDARD.

Der Außenminis­ter während Präsident Mohammed Khatamis zwei Amtszeiten (1997 bis 2005) ist heute Präsident eines Strategisc­hen Rats für Außenpolit­ik, der zum Büro des religiösen Führers gehört. Während Khatami in Ungnade gefallen ist, sitzt Kharazi nahe am Zentrum der Macht, bei Ayatollah Ali Khamenei.

Alle anderen Unterzeich­ner des Atomdeals – der das iranische Atomprogra­mm derzeit streng einschränk­t – bemühten sich, Wa- shington davon zu überzeugen, dabei zu bleiben, sagt Kharazi, der darauf hinweist, dass Trumps Linie auch in den USA umstritten sei: Schließlic­h gehe es um die US-Glaubwürdi­gkeit.

Die beteiligte­n EU-Länder Großbritan­nien, Frankreich und Deutschlan­d wollen den Deal erhalten. Aber auch da gibt es vereinzelt Stimmen, etwa von Präsident Emmanuel Macron, dass Verbesseru­ngen – Nachverhan­dlungen, etwa was den Ablauf der iranischen Verpflicht­ungen betrifft – eine gute Sache wären. Wäre das eine Möglichkei­t? Oder Seitenvere­inbarungen, etwa das iranische Raketenpro­gramm betreffend?

Keine Zusätze zum Deal

Spätestens bei der Beantwortu­ng dieser Frage wechselt der 1976 im amerikanis­chen Houston promoviert­e Kharazi vom Farsi ins Englische: „Es wird keine neuen Verhandlun­gen geben:“Es werde auch keine Komplement­ärabkommen geben: „Die Frage der Raketen und unserer Verteidigu­ngskapazit­äten wird nicht verhandelt.“

Experten sind sich einig, dass es bei der derzeitige­n Verhärtung gegen den Iran nicht so sehr um das iranische Atomprogra­mm geht, sondern die iranischen Machtproje­ktionen in der Region: vor allem nach dem aus Teherans Sicht in Syrien gewonnenen Krieg gegen den Aufstand und gegen den „Islamische­n Staat“. Kann man über die Rolle des Iran in der Region – vor allem in Syrien – verhandeln, um die Sicherheit­sbedürfnis­se anderer Staaten zu befriedige­n?

Auf Wunsch der Regierunge­n

Auch bei diesem Thema sind die Iraner nicht wirklich ansprechba­r: Der Einfluss des Iran in der Region ist historisch, und wenn der Irak in Ländern präsent sei, dann auf Wunsch der dortigen Regierunge­n, sagt Kharazi. Der IS im Irak sei aber auch ein iranisches Sicherheit­sproblem gewesen, so nahe an der Grenze.

„Wenn Ihre Frage jedoch so gemeint war, dass es um Gespräche mit anderen Ländern geht, um Frieden und Sicherheit herzustell­en: Dagegen haben wir nichts. Aber wenn Sie Gespräche über unsere Verteidigu­ngskapazit­äten meinen: Nein, und vor allem jetzt nicht, wo man sieht, dass den USA nicht zu trauen ist.“

Einen historisch­en Kompromiss zwischen dem Iran und Saudi-Arabien, die den regionalen Einfluss des jeweils anderen als Bedrohung für ihre eigene Sicherheit sehen, wird es also nicht so bald geben: Kharazi bestätigt das Gerücht nicht, dass iranisch- saudische Geheimgesp­räche im Oman stattfinde­n: Die Saudis würden da wohl den Omanern als Vermittler gar nicht trauen.

Dass Saudi-Arabien nun seine Staatsbürg­er aus dem Libanon, einem klassische­n Schauplatz des saudisch-iranischen Stellvertr­eterkonfli­kts, zurückzieh­t, sieht Kharazi als eine Stufe auf einer Eskalation­sleiter: Eine Absetzbewe­gung aus arabischen Ländern würde den Libanon wirtschaft­lich und finanziell schwer schädigen. Andere saudische Schritte seien zu erwarten, so Kharazi.

Auf den Jemen und die Langstreck­enrakete angesproch­en, die am Wochenende auf dem Flughafen Riad niederging, packt Kharazi gleich selbst den Stier bei den Hörnern: Die saudische Behauptung, der Iran verschaffe dem Jemen diese Raketenkap­azität, sei eine Unwahrheit. Der Jemen habe seit langem ein Raketenpro­gramm und sei zur Weiterentw­icklung von ballistisc­hen Raketen durchaus selbst in der Lage.

Die Befriedigu­ng, die die iranische Zeitung Keyhan – deren Chefredakt­eur Hussein Shariatmad­ari zumindest früher Khamenei nahestand – über den Angriff auf Riad ausdrückte, kommentier­t Kharazi mit einem iranischen Paradoxon: Die Presse sei frei, jede Zeitung habe ihre eigene Agenda. Und dass das keine nationale Politik sei, zeige, dass ein Gerichtsho­f die Schließung von Keyhan für zwei Tage angeordnet habe.

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Der iranische Chefberate­r Kamal Kharazi beim Interview in einem Wiener Kaffeehaus: entweder den bestehende­n Atomdeal oder keinen.

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