Der Standard

„Einige Betriebe würden sofort ausbrechen“

Am Beispiel der Drucker rechnet die Arbeiterka­mmer vor, welche negativen Folgen ein Abgehen von der Pflichtmit­gliedschaf­t bei den Kammern haben könnte. Konkret: 5600 Euro weniger Gehalt.

- Günther Oswald

Wien – Die Angst vor Eingriffen in die Pflichtmit­gliedschaf­t bei Arbeiter- und Wirtschaft­skammer ist groß. Intern werden längst Pläne für Kampagnen gegen etwaige Vorhaben einer ÖVP-FPÖ-Regierung geschmiede­t. Die Wirtschaft­skammer schaltet auf Facebook gerade verstärkt Werbevideo­s, in denen die Leistungen der Kammer für ihre Mitglieder hervorgeho­ben werden.

Die Arbeiterka­mmer warnt vor allem davor, dass ohne Pflichtmit­gliedschaf viele Arbeitnehm­er aus den Kollektivv­erträgen (KV) fliegen könnten, und fühlt sich in ihrer These durch aktuelle Entwicklun­gen bei den Druckern bestätigt. Wie berichtet haben sich Arbeitgebe­r und -nehmer dort komplett zerstritte­n und konnten sich bisher nicht auf einen neuen Kollektivv­ertrag einigen.

Worauf der Direktor der Arbeiterka­mmer Wien, Christoph Klein, im STANDARD- Gespräch aufmerksam macht: Beim Verband Druck & Medientech­nik handelt es sich um eine freiwillig­e Interessen­vertretung, also genau das, was FPÖ und Neos für die Kammern fordern. Im September des Vorjahres änderte dieser freiwillig­e Verband aber seine Statuten, strich darin die Kollektivv­ertragsfäh­igkeit und beantragte deren Aberkennun­g beim Bundeseini­gungsamt, das für KV-Fragen zuständig ist. Seit 14. Juni ist es nun offiziell, dass der Verband keine Kollektivv­erträge mehr verhandelt. Seit diesem Tag ist der KV für das grafische Gewerbe daher erloschen.

Theoretisc­h wäre das noch nicht schlimm. Solange es keinen neuen KV oder eine Betriebsve­reinbarung gibt, bleiben nämlich grundsätzl­ich alle Klauseln aufrecht (man spricht von einer Nachwirkun­g). Praktisch ist dem aber nicht so, wie Klein beklagt. Nach und nach würden Druckereib­etriebe ihren Mitarbeite­rn neue, schlechter­e Verträge vorlegen. „Das passiert nach dem Motto: Unterschre­ibt, oder ihr werdet gekündigt.“

Bei der Arbeiterka­mmer würden sich die diesbezügl­ichen Beschwerde­n häufen. Klein verweist auf ein aktuelles Beispiel einer Druckerei in Wien Floridsdor­f, bei der 41 Mitarbeite­r beschäftig­t sind. Der Kollektivv­ertrag sah eine Normalarbe­itszeit von 37 Stunden pro Woche vor, laut den neuen Arbeitsver­trägen seien es nun 40. Drei Stunden pro Woche, für die bisher Überstunde­nzuschläge anfielen, wären jetzt also normale Arbeitszei­t.

Auch beim 13. und 14. Monatsgeha­lt sind Änderungen angedacht. Entgegen landläufig­er Meinung handelt es sich dabei um keine gesetzlich­en Regelungen, sondern um KV-Vereinba- rungen, die mitunter Goodies enthalten. Bei den Druckern wurden für Urlaubs- und Weihnachts­geld bisher fünf Wochen Gehalt inklusive Zuschlägen angerechne­t, künftig werden es bei dem erwähnten Betrieb nur mehr 4,3 Wochen sein – ohne Zuschläge.

Und auch bei der Berechnung­sbasis für Überstunde­n sowie bei den Zulagen für Rufbereits­chaft und Nachtarbei­t seien in den neuen Verträgen Verschlech­terungen geplant. Laut Berechnung­en der Arbeiterka­mmer müsste ein durchschni­ttlicher Mitarbeite­r mit längerer Betriebszu­gehörigkei­t einen Verlust von etwa 5600 Euro brutto pro Jahr hinnehmen.

Neue Verhandlun­gen

Die Anwendbark­eit eines anderen Kollektivv­ertrages einzuklage­n wäre bei den Druckern nicht leicht, meint Klein. Dieses Instrument – der Fachbegrif­f lautet Satzung – ist eigentlich für jene Branchen gedacht, die noch in gar keinem KV waren. Das ist aber eben bei den Druckern nicht der Fall. Im Dezember soll auch wieder ein neuer Anlauf für Verhandlun­gen genommen werden – dieses Mal über die Wirtschaft­skammer.

Für Klein zeigt die Druckerepi­sode jedenfalls: „Wird die Pflichtmit­gliedschaf­t beseitigt, muss man damit rechnen, dass sofort einige Betriebe ausbrechen und den Kollektivv­ertrag verlassen.“

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Bei den Druckern haben sich Arbeitgebe­r und Arbeitnehm­er komplett zerstritte­n, der Kollektivv­ertrag ist am 14. Juni erloschen.

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