Minister fordern May in Geheimbrief zu hartem Brexit auf
Johnson und Gove machen Druck auf ihre Chefin und schießen sich auf Finanzminister Hammond ein
Ein bisher geheimes Schreiben demonstriert, wie schwach die britische Premierministerin Theresa May ist: Sie scheint unter dem Weisungsdruck von Brexit-Hardlinern in ihrem Kabinett zu stehen. Die Zeitung Mail on Sunday publizierte einen gemeinsamen Brief von Außenminister Boris Johnson und Umweltminister Michael Gove an May. Darin fordern die beiden Politiker, die während der Referendumskampagne 2016 Anführer des Brexit-Lagers waren, einen kompromisslosen Austritt aus der EU.
Allfällige Übergangsregelungen dürften keinesfalls unbegrenzt sein. Johnson und Gove nannten sogar ein Datum, an dem der vollständige Bruch mit der EU erreicht sein muss: den 30. Juni 2021. Denn vor den nächsten Parlamentswahlen 2022 müsse man wieder „ein vollständig unabhängiges und selbstverwaltetes Land“sein. Die Premierministerin müsse dazu „ihre Entschlossenheit unterstreichen“.
Ferner solle sich Großbritannien auf die Möglichkeit eines No-Deal-Szenarios einstellen, bei dem der Austritt ungeregelt erfolgt. „Wir sind tief besorgt“, so Johnson und Gove, „dass in einigen Teilen der Regierung die der- zeitigen Vorbereitungen nicht mit annähernd genug Energie voranschreiten.“
Gemeint ist damit Finanzminister Philip Hammond, Anführer jener Kabinettsfraktion, die einen möglichst wirtschaftsfreundlichen Brexit anstrebt. Hammond hat kürzlich abgelehnt, einen größeren Geldbetrag für die Planung und Vorbereitung eines sogenannten Klippen-Brexits bereitzustellen, bei dem Großbritannien die EU ohne Freihandelsabkommen verlässt und seinen Außenhandel nach den Regeln der Welthandelsorganisation betreibt.
Monatelange Warnungen
Unternehmen, Wirtschaftsverbände, Banken und Gewerkschaften warnen seit Monaten vor den negativen Folgen eines solchen Klippen-Brexits und drängen die Regierung, in die zweite Phase der Verhandlungen einzusteigen, in der über eine zukünftige Handelsbeziehung geredet wird.
Vorher aber müsste May Zugeständnisse machen. EU-Chefunterhändler Michel Barnier hat den Briten am Freitag zwei Wochen Zeit gegeben, sich bei den strittigen Fragen der Rechte von EUBürgern im Königreich, der Grenzregelung zwischen Nordirland und Irland sowie der Begleichung der finanziellen Verpflichtungen zu bewegen. Sollte es keine „ausreichenden Fortschritte“geben, könne er dem EU-Gipfel, der Mitte Dezember stattfindet, nicht empfehlen, zur zweiten Phase der Gespräche überzugehen.
Somit bleiben May weniger als zwei Wochen, um einen Weg zu finden, Konzessionen anzubieten, ohne einen Aufstand im Kabinett fürchten zu müssen. Besonders umstritten sind die britischen Finanzverpflichtungen. May hat bisher rund 20 Milliarden Euro für die Begleichung der Scheidungsrechnung angeboten – die EU dagegen hält 60 Milliarden Euro für angemessen.
Am Sonntagnachmittag hatte dann auch die Sunday Times schechte Nachrichten für May: Bereits 40 Abgeordnete seien bereit, der eigenen Parteichefin das Misstrauen auszusprechen.