Innsbruck: Grüne wollen Gemeinderat ausschließen
Wegen einer sexuellen Grenzüberschreitung im Jahr 2005, die seit 2006 bekannt ist, soll Gemeinderat Mesut Onay aus dem Klub ausgeschlossen werden. Der Funktionär will sein Mandat jedoch behalten und überlegt die Gründung einer eigenen Liste.
Innsbruck – In der vielleicht wichtigsten Phase ihrer Geschichte stehen die Tiroler Grünen vor einer internen Zerreißprobe. Wie der STANDARD erfahren hat, soll am Montag ein Innsbrucker Gemeinderat aus dem grünen Klub ausgeschlossen werden. Die Begründung: Ihm wird eine „sexuelle Grenzüberschreitung“vorgeworfen. So erzählt es der betroffene Funktionär Mesut Onay. Der Fall ist bekannt und wurde in Parteigremien von Onay thematisiert. Hinter dem Rauswurf vermutet er eine Racheaktion. Eine Stellungnahme der Grünen stand bis Redaktionsschluss noch aus.
Begonnen hat der Erzählstrang mit einem Artikel der Bezirksblätter. Im Zuge der #MeTooKampagne, durch die Frauen Übergriffe und Missbrauch öffentlich machen, griff das Medium den „Fall Onay“wieder auf: Der heutige Grünen-Politiker wurde vor zwölf Jahren von seiner damaligen Affäre öffentlich beschuldigt, ein Nein nicht akzeptiert zu haben.
Onay gibt zu, dass die Frau nach einem Konzert im Auto erklärt habe, dass er ihr nicht näher kommen solle. Etwas später sei das dann aber doch passiert – wie er dachte, sagt er, zu diesem Zeitpunkt dann einvernehmlich. „Doch die Frau bestimmt die Grenzen, nur weil ich das so interpretiert habe, muss es nicht heißen, dass es für sie in Ordnung war, deshalb habe ich mich auch mehrfach entschuldigt“, beteuert Onay. Er wolle festhalten, dass er weder betrunken war noch grob oder gar gewalttätig geworden sei.
Die betroffene Frau hatte den Vorfall ein paar Monate später, Anfang 2006, bei einer Veranstaltung einer feministischen Gruppe, der sie angehörte, publik gemacht und Onay in diesem Rahmen auch namentlich genannt. Zu einer Anzeige kam es nicht. Für den STANDARD war sie vorerst nicht erreichbar.
Später, im Jahr 2006, schaltete Onay einen Anwalt ein, nachdem eine Frauenorganisation eine E-Mail an zahlreiche soziale Einrichtungen versendet hatte, in der ihm eine strafbare Handlung unterstellt und gefordert wurde, er solle aus allen Strukturen ausgeschlossen werden. „Das Schreiben wurde schließlich als unwahr widerrufen und die Anwaltskosten von der Organisation übernommen“, sagt Onay.
In Innsbruck ist das alles bis heute immer wieder Gesprächs- thema. Onay hat den Fall deshalb bei der grünen Listenerstellung für die Gemeinderatswahl im Jahr 2011 in einer Rede angesprochen. Danach wurde er von seinen Parteifreunden auf Platz vier gewählt.
Anderes Motiv vermutet
Hinter dem Ausschluss vermutet Onay ein anderes Motiv: „Ich habe mich als Einziger von den acht grünen Innsbrucker Gemeinderäten für Georg Willi als Bürgermeisterkandidat ausgesprochen“, sagt er. Willi – und nicht die derzeit im Klub vertretene Vizebürgermeisterin Sonja Pitscheider – wurde mit einer Mehrheit von der grünen Basis aufgestellt. „Das Team wird nach der Wahl weitgehend erneuert. Außer mir befinden sich nur zwei der aktuellen Gemeinderäte auf wählbaren Plätzen.“
Vereinbart habe der grüne Klub den Ausschluss am Freitag. Am Abend wurde Onay von Willi informiert. Ihm sei die Möglichkeit eingeräumt worden, selbst zurückzutreten, erzählt er. „Das mache ich bestimmt nicht. Ich habe die Entscheidung des Klubs zu akzeptieren, aber mein Mandat werde ich als freier Abgeordneter behalten.“Seinen Platz auf der grünen Liste für den Urnengang im April gebe er auf. Er denke darüber nach, mit einer eigenen Liste anzutreten.
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