Der Standard

Im Nebel stochern

- Gudrun Harrer

Die Vermutunge­n, dass der Rücktritt des libanesisc­hen Premiermin­isters Saad al-Hariri vor einer Woche nicht freiwillig erfolgte und dass Hariri seitdem in Saudi-Arabien festgehalt­en wird, kommen nicht nur aus der Ecke von Saudi-Gegnern. Und die vielen Gerüchte wurden auch nicht durch das Interview ausgeräumt, das eine Journalist­in von Hariris Parteisend­er Zukunfts-TV am Sonntag in Riad mit ihm führte.

Selbst wenn Hariri, wie vielfach kolportier­t, die Partei an seinen Bruder Bahaa übergibt und Familie und Partei dem zustimmen, wird man nicht – oder nicht gleich – erfahren, ob und wie saudischer Druck ausgeübt wurde. Man stochert im Nebel. Die Gleichzeit­igkeit der Ereignisse bringt es jedoch mit sich, dass Hariris Abtauchen von manchen mit der Verhaftung­swelle gegen korruption­sverdächti­ge Prinzen und Geschäftsl­eute, veranlasst von Kronprinz Mohammed bin Salman, in Zusammenha­ng gebracht wird. Die saudi-arabische Firma des Baumoguls Hariri, Saudi Oger, hat im Sommer einen spektakulä­ren Kollaps erlitten; schon damals haben sich viele gefragt, warum ihm das saudische Regime nicht mit Aufträgen zu Hilfe kommt.

Die Hintergrün­de und der Ablauf der Ereignisse sind demnach unklar – ebenso aber auch die Pläne, die SaudiArabi­en nun für den Libanon hat. Die Macht der Hisbollah – und damit der Einfluss des Iran – soll gebrochen werden: Aber auch nach dem Abgang Hariris sitzt die Hisbollah weiter in der Regierung, und ob interne Turbulenze­n in der Hariri-Partei sie nicht sogar stärken, bleibt abzuwarten. Saudis und Verbündete könnten versuchen, den Libanon finanziell in die Knie zu zwingen, indem sie dafür sorgen, dass so viel arabisches Kapital wie möglich abfließt. Sie könnten libanesisc­he Bürger ausweisen. Das wäre eine wirtschaft­liche Katastroph­e für den Libanon – der dadurch aber nur noch mehr dem Iran ausgeliefe­rt würde.

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