Der Standard

„EU will Zugang zu unseren Rohstoffen bekommen“

In zwei Wochen findet der EU-Afrika-Gipfel in Côte d’Ivoire statt. Für die Europäer gehe es um Rohstoffe oder Absatzmärk­te, kritisiert der Entwicklun­gsexperte Boniface Mabanza.

- INTERVIEW: Jakob Pallinger

Standard: Bei großen Treffen wie G20-Gipfeln dominieren oft andere Themen. Wie oft wird über Afrika gesprochen? Mabanza: Afrika ist meist Randthema. Beim G20-Gipfel in Hamburg wurde über Afrika nicht mehr als eine Stunde lang diskutiert. Europa verhält sich gegenüber Afrika sehr arrogant. Die EU nutzt die Asymmetrie der Machtverhä­ltnisse aus, versucht Zugang zu Rohstoffen zu bekommen oder neue Absatzmärk­te für europäisch­e Produkte zu schaffen. Einen ordentlich­en Dialog gibt es nicht.

Standard: Worum wird es beim kommenden EU-Afrika-Gipfel in zwei Wochen gehen? Mabanza: Wie bei den vergangene­n Gipfeln wird es wieder sehr stark um das Thema Migration und Migrations­abwehr gehen. Eine Strategie der Migrations­abwehr ist die Überzeugun­g, dass Afrika massive Investitio­nen braucht, um Arbeitsplä­tze zu schaffen. Es heißt, afrikanisc­he Staaten sollen attraktive Rahmenbedi­ngungen schaffen, um europäisch­e Geldgeber anzuziehen, und Garantien und Risikoabsi­cherungen für Privatunte­rnehmen gewährleis­ten.

Standard: Wie erfolgvers­prechend sind diese Investitio­nen? Mabanza: Nicht sehr erfolgvers­prechend. Die Strukturan­passungspr­ogramme der 1980er- und 90erJahre hatten genau die gleiche Strategie. Am Ende fanden massi- ve Privatisie­rungswelle­n in den afrikanisc­hen Ländern statt. Das hat die Regierunge­n gegenüber Unternehme­n entmachtet. Das Wachstum ist bisher nicht nach unten durchgesic­kert. Möglicherw­eise war die Absicht auch, Zugriff auf die Rohstoffe der Länder zu bekommen und dort zu investiere­n, wo die Renditen am höchsten sind. Was gibt uns die Garantie, dass die jetzigen Investitio­nen so gelenkt werden, dass sie den Ländern den Strukturwa­ndel bringen, den sie brauchen? Für diesen Wandel muss mehr in die Industrial­isierung der Länder investiert werden. Wertschöpf­ungsketten müssen vor Ort entstehen.

Standard: Welche Auswirkung­en hatten die bisherigen Freihandel­sabkommen? Mabanza: Zuerst einmal verloren die afrikanisc­hen Länder Staatseinn­ahmen, weil die Zölle auf Importe schrittwei­se aufgehoben wurden und die EU mit subvention­ierten Gütern den afrikanisc­hen Markt gefährdet. Durch die unterschie­dlichen Abkommen ist ein Fleckerlte­ppich entstanden, weil afrikanisc­he Länder verschiede­ne Zugänge zum europäisch­en Markt haben. Dadurch haben Konflikte in der Region zugenommen.

Standard: Wer bestimmt den Inhalt der Verhandlun­gen? Mabanza: In der Handelspol­itik setzen sich jene Akteure durch, welche die stärksten Institutio­nen und Lobbys hinter sich haben. Das sind jene, die Wirtschaft­sinteresse­n verfolgen, wie zum Beispiel die Landwirtsc­haft. Für den Zugang zu Rohstoffen wird immer wieder versucht, die sozialen und ökologisch­en Standards so niedrig wie möglich zu halten.

Standard: Was braucht es, um diese Interessen abzustimme­n? Mabanza: Politiker brauchen mehr Mut, sich von dem Einfluss der Lobbys zu befreien. Sie müssen als Steuerinst­anz für den Ausgleich von Interessen sorgen. Standard: Was erwarten Sie sich vom Gipfel? Mabanza: Ich erwarte mir nichts. Es wird eine Abschlusse­rklärung geben, an die nicht einmal jene glauben, die sie unterzeich­nen.

Standard: In den Verhandlun­gen geht es auch um eine „nachhaltig­e Zukunft“für Afrika? Was heißt das? Mabanza: Nachhaltig­keit beruht auf der Überzeugun­g, dass sozialer Fortschrit­t nur unter der Beachtung der Grenzen der Belastbark­eit des Planeten und in entspreche­nden politische­n Institu- tionen stattfinde­n kann. Was bei den Verhandlun­gen grundlegen­d schiefläuf­t, ist, dass die Frage nach der Zukunft den Ökonomen überlassen wurde. Die entscheide­nden Fragen sind aber: Was macht uns als Menschen aus und wie wollen wir leben?

BONIFACE MABANZA ist Experte für Entwicklun­gspolitik. Er wurde in der Demokratis­chen Republik Kongo geboren, studierte Philosophi­e, Literaturw­issenschaf­t und Theologie. Seit 2008 arbeitet er für die kirchliche Arbeitsste­lle Südliches Afrika (Kasa) in Heidelberg.

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Foto: HO Politiker brauchen mehr Mut, findet Mabanza.

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