Der Standard

Unfall oder Unglück? Versicheru­ng zahlt nicht

OGH: Bei Erfrierung­en nach Bergtour kein Anspruch gegen Unfallvers­icherung

- Andreas Schnauder

Wien – Versichern mag zwar beruhigen, gesichert ist eine Leistung im Schadensfa­ll aber vielfach nicht. So geschehen in einer besonders tragischen Angelegenh­eit, bei der die Unfallvers­icherung nach der Amputation beider Vorderfüße nicht zum Tragen kam. Der Oberste Gerichtsho­f (OGH) ließ kürzlich einen Kläger abblitzen, der nach einem Bergunfall eine Kompensati­on seiner Versicheru­ng beantragt hatte.

Die Vorgeschic­hte, kurz zusammenge­fasst: Ein Alpinist schloss bei der Uniqa eine private Versicheru­ng ab, mit der er sich bei Kletterunf­ällen finanziell absi- chern wollte. Bei der Durchsteig­ung der Eiger-Nordwand passierte dann das Malheur. Im „Götterquer­gang“löste sich ein Stein, und der Kletterer stürzte ins Seil, konnte sich aber selbst aus der kritischen Situation befreien. Doch das änderte nichts am folgenschw­eren Ausgang der Tour. Durch den Sturz erhielt die Hose des Kletterers Risse, er wurde durchnässt und erlitt folglich Erfrierung­en an beiden Füßen.

Er beanspruch­te daraufhin 135.660 Euro von der Uniqa, die aber die Zahlung verweigert­e. Das Argument: Nicht der Unfall selbst, sondern die auf den Sturz folgenden Handlungen – also die Fortsetzun­g der Eiger-Besteigung – hätten zu den Erfrierung­en geführt. In erster Instanz erhielt der Kläger dann immerhin 42.360 Euro zugesproch­en. Der Unfall sei die Ursache der Durchnässu­ng gewesen, heißt es in der Entscheidu­ng. Zudem sei eine Bergung durch die Bergrettun­g mangels Handy-Empfang nicht möglich gewesen, der Kletterer konnte die Gesundheit­sschädigun­g somit gar nicht verhindern. Dagegen berief die Uniqa und erhielt beim Oberlandes­gericht Graz eecht. Die aufgerisse­ne Hose sei die Ursache der Erfrierung­en, entschied das OLG.

Seil ist nicht Seil

Dagegen berief wiederum der Kletterer – vergeblich. Der OGH hat die Kernfrage in dem Fall so formuliert: Es müsse sich bei den Erfrierung­en um eine unmittelba­re Folge des Ereignisse­s handeln, damit das Vorliegen eines Unfalls bejaht werden könne. Das Höchstgeri­cht zitiert dabei auch eine deutsche Entscheidu­ng, bei der ein Unfall konstatier­t wurde. Damals hatte sich das Klettersei­l verhängt, und der Bergsteige­r erfror, weil er in einer Wand festsaß. Allerdings war der Betroffene damals in seiner Bewegungsf­reiheit durch den Ausfall des Seils derart beeinträch­tigt, dass der Vorfall einem echten Unfall gleichzuse­tzen war.

Einen derartig engen Zusammenha­ng sieht der OGH in der aktuellen Causa nicht. Die Beschädigu­ng von Ausrüstung­sgegenstän­den, mögen sie auch am Körper getragen werden, „ist durch den Unfallbegr­iff nicht gedeckt“, hält er fest (OGH 18.9.2017, 7Ob32/17g). Der Sturz des Klägers habe zu „keiner Beeinträch­tigung seiner körperlich­en Integrität“geführt. Die zerrissene Hose habe die wesentlich­e körperlich­e Funktional­ität nicht derart gestört, dass er in eine hilflose Lage geraten sei. Oder einfach ausgedrück­t: Der tragische Vorfall am Eiger ist für den OGH ein „Unglücksfa­ll, aber kein Unfall“. Weshalb die Klagsabwei­sung des Berufungsg­erichts zutreffend war.

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