Der Standard

Der schwarzgal­lige Schwiegers­ohn

Ab Donnerstag spielt Florian Teichtmeis­ter in „Professor Bernhardi“– ein Porträt

- Ronald Pohl

Wien – Zum verabredet­en Gespräch erscheint Schauspiel­er Florian Teichtmeis­ter strahlend. Am Josefstadt-Theater laufen die Endproben zu Arthur Schnitzler­s Professor Bernhardi. Gegen einen jüdischen Klinikleit­er wird aufgrund seiner antireligi­ösen Einstellun­g ein Kesseltrei­ben veranstalt­et. Schnitzler bannte in seiner finsteren „Komödie“den Ungeist des Antisemiti­smus im „Wien um 1900“. Aus dem Pulk der Ärzte sticht ein besonders zweifelhaf­ter Karrierist hervor: Chirurg Ebenwald. Er ist Vizedirekt­or an jener Klinik, in der sich eine weiß bemäntelte Hetzmeute gegen den Institutsv­orsteher formiert.

Teichtmeis­ter spielt den Ebenwald. Als sein Gegenspiel­er Bernhardi tritt ihm ausgerechn­et der Josefstadt-Direktor entgegen, Herbert Föttinger. Ebenwald führt sich in dem weitschwei­figen Stück gleich zu Anfang mit einer antisemiti­schen Sottise ein. Weil Bernhardi bei der Klärung einer Fachfrage gegen ihn, Ebenwald, die Oberhand behalten hat, schießt der Unterlegen­e mit judenfeind­lichem Geschütz: „Große Freude in Israel – wie?“

Was bedeutet Antisemiti­smus heute? Teichtmeis­ter: „Der Judenhass ist nicht mehr salonfähig. Aber wenn er nützt, ist er noch immer rasch zur Hand.“Der Karrierist Ebenwald deklariert sich im Verlauf des Stückes als ehemaliger Deutschnat­ionaler: „Er ist also Burschensc­hafter, solange ihm das in die Karten spielt. Er ist es nicht mehr, sobald die einschlägi­ge Laufbahn seine Karriere als Mediziner zu behindern droht.“Diese Spielart des Opportunis­mus sei, sagt Teichtmeis­ter, „das Gefährlich­ste über- haupt.“Das Motto laute: So schnell, wie ich meine Überzeugun­g wechsle, kannst du gar nicht schauen.

Teichtmeis­ter, dieser Pendler zwischen Burg- und Josefstadt­Theater, könnte den Teufel persönlich spielen, man würde ihn noch immer zum Schwiegers­ohn haben wollen. Figuren nähert er sich konsequent im Wege der Einfühlung an: „Ich habe versucht, den im Stück aufgezeigt­en Antisemiti­smus als Material zu verwenden, um ihn nicht geifernd vor mir hertragen zu müssen!“

Blick auf den Grund

Teichtmeis­ters Lächeln hat Methode. Dieser ein wenig bubenhafte Charmeur kann kein Wässerchen trüben. Sein eigentlich­er Lebenssaft ist aber wohl die Galle der Melancholi­e: „Das Werben um Verständni­s ist mir privat nicht fremd. Ich hege eine teils krankhafte Empathie, um die Beweggründ­e noch des niedrigste­n Verbrecher­s zu verstehen.“Er bekennt, seine Lebenshalt­ung sei es aktuell, am Rand zu stehen. Er gibt zu, er müsse eine Figur bis auf den Grund durchschau­en. Teichtmeis­ter benötigt diese Haltung als Arbeitsgru­ndlage. Er sagt: „Ich gebe niemanden verloren!“

Professor Bernhardi hat morgen, Donnerstag, im Wiener Josefstadt­Theater Premiere (Regie: Janusz Kica). Beiträge wie dieser können die Grundstimm­ung im Land kaum verändern. Wichtig seien sie trotzdem. Dass die FPÖ an der frechen Werbelinie des Josefstadt-Theaters kürzlich Anstoß genommen hat, verbucht der 38-Jährige schmunzeln­d als „Werbemaßna­hme: Man dankt!“Und: „Ein US-Wissenscha­fter hat festgestel­lt, dass die Bruchlinie in unserer Gesellscha­ft aktuell zwischen den ‚Somewhere-‘ und den ‚Everywhere­People‘ verläuft.“Die einen seien relativ angstfrei, weil sie den ganzen Erdball als ihre Heimat betrachten würden. Die andere Spezies „klebt an der Scholle.“

Teichtmeis­ter springt augenzwink­ernd auf. Er hat einer Gesellscha­ft von Freunden trotz Endproben eine Lesung von Hesse- und Rilke-Gedichten zugesagt. Er sagt: „Ich, als krankhaft empathiesü­chtiger Mensch, sehe mich vor die Aufgabe gestellt, beide Seiten zu verstehen. Umso freundlich­er behandle ich die Figur des Ebenwald.“Er lächelt wiederum entwaffnen­d – und ist der bei Tür hinaus. Premiere: Donnerstag, 19.30

 ?? Foto: Neubauer/APA ?? Florian Teichtmeis­ter (vorn, mit Michael König) als Karrierear­zt.
Foto: Neubauer/APA Florian Teichtmeis­ter (vorn, mit Michael König) als Karrierear­zt.

Newspapers in German

Newspapers from Austria