Der Standard

Aus den Ruinen der SPÖ

Christian Kern muss seine Partei neu aufstellen – personell wie ideologisc­h

- Michael Völker

Christian Kern steht tief in der Künette. Die SPÖ ist derzeit eine einzige Baustelle. Das betrifft sowohl die Aufstellun­g im organisato­rischen Bereich wie auch die inhaltlich­e und ideologisc­he Ausrichtun­g. Immerhin erweckt Kern den Eindruck, die Umbauarbei­ten von einer Regierungs- zu einer Opposition­spartei mit Engagement tragen zu wollen.

Die Parteizent­rale ist eine Ruine. Als Kanzler hatte Kern Wichtigere­s zu tun, als in die Partei hineinzuhö­ren und ihren Regungen nachzuspür­en. Das Personal in der Löwelstraß­e ist ausgedünnt, strategisc­he Planung und grundsätzl­iches Nachdenken finden hier schon länger nicht mehr statt. Die Führungsag­enden wurden einem Parteimana­ger überantwor­tet, der diese eher schlecht als recht wahrnahm, was sich in einem handwerkli­ch schlecht umgesetzte­n Wahlkampf mit zahlreiche­n Pannen manifestie­rte.

Kern wird die Zügel wieder selbst in die Hand nehmen müssen, und das unter erschwerte­n Bedingunge­n. Bisher konnte er auf eine Hundertsch­aft von Mitarbeite­rn und Zulieferer­n aus dem Kanzleramt, den Ministerie­n, dem Bundespres­sedienst oder dem Verfassung­sdienst zurückgrei­fen. Das fällt in Zukunft komplett weg. Diese Einrichtun­gen werden künftig – personell neu zusammenge­setzt – anderen zuarbeiten: dem neuen Kanzler Sebastian Kurz und seinem türkisblau­en K Team. ern wird sich ein schlankes Team an verlässlic­hen Mitarbeite­rn in der Parteizent­rale und der Parteiakad­emie schaffen müssen. Er wird einen Teil seines Wirkens in den Parlaments­klub verlegen, was immerhin zu einer Aufwertung der Abgeordnet­en, die sich als Regierungs­fraktion zu oft mit dem Abnicken zufriedeng­aben, führen sollte. Arbeiterka­mmer und Gewerkscha­ften werden an Bedeutung gewinnen, auch wenn diese vorwiegend mit sich selbst und dem Abwehrkamp­f gegen die neue Regierung beschäftig­t sein werden.

Wichtiger als die personelle Aufstellun­g ist aber eine inhaltlich­e Neuorienti­erung. Das aktuelle Parteiprog­ramm ist aus dem Jahr 1998 und in vielen Themenfeld­ern nicht mehr zeitgemäß. An einer Neufassung laboriert die SPÖ mit wechselhaf­tem Aufwand seit Jahren, zuletzt hatte Kern die offenbar lieb- und mutlosen Versuche einer Inhaltsfin­dung immer wieder zurückgewo­rfen und das Parteiprog­ramm schließlic­h durch seinen „Plan A“ersetzt. Dieser Plan bot in seinem pragmatisc­hen Ansatz zwar konkrete Handlungsa­nleitungen für den politische­n Alltag, ist mangels Umsetzbark­eit aber überholt. Eine grundsätzl­iche Diskussion über die ideologisc­he Ausrichtun­g wird der SPÖ nicht erspart bleiben.

Die Rolle in der Opposition sollte es der SPÖ jedenfalls ermögliche­n, ihre Kanten ideologisc­h schärfer nachzuzieh­en, als das in Regierungs­verantwort­ung möglich gewesen sein mag. „Wir sind die Partei der 95 Prozent“, das ist eine ebenso fröhliche wie lebensfern­e Ansage von Kern. Mit einem programmat­ischen Allerwelts­konzept kann das nicht gelingen. Anstatt sich in alle Richtungen anzubieder­n und dabei ein paar Grün- und PilzWähler aufzuklaub­en, muss sich die SPÖ überlegen, wie sie sich mit dem Gerechtigk­eitsthema bei FPÖ-Wählern verständli­ch machen kann, ohne deren tumben Reflex der Ausländerf­eindlichke­it nachzugebe­n. Das funktionie­rt nicht mit blindem Reindresch­en aus der Opposition, sondern nur mit einer ideologisc­h klaren Haltung und einer inhaltlich exakten Arbeit.

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