Der Standard

Down Under für Homo-Ehe

Die Uno kritisiert die Lagerbedin­gungen in Libyen deutlich und nimmt dabei auch die EU ins Visier. Im Bürgerkrie­gsland hat sich die Situation für Flüchtling­e durch einen Machtwechs­el zwischen rivalisier­enden Milizen sogar noch verschlech­tert.

- Kim Son Hoang

In einer Briefwahl hat eine klare Mehrheit der Australier für die Ehe für alle gestimmt. Das Gesetz soll rasch kommen.

Tripolis/Wien – Zaid Ra’ad Al-Hussein hat deutliche Worte gewählt. „Unmenschli­ch“sei dies alles, „katastroph­al“und ein „Verbrechen am menschlich­en Gewissen“. Es sind die Bedingunge­n in libyschen Flüchtling­scamps, die den UN-Menschenre­chtskommis­sar am Dienstag zu einer Brandrede veranlasst­en. Die internatio­nale Gemeinscha­ft dürfe nicht mehr die Augen verschließ­en vor dem „unvorstell­baren Grauen“. Adressat dieser Worte war vor allem die EU, der Hussein die Kooperatio­n mit der libyschen Küstenwach­e vorwarf. Denn dadurch würden immer mehr Flüchtling­e dorthin zurückgebr­acht, wo sie Folter, Vergewalti­gung und Hunger erwartet.

Während die EU-Kommission die Vorwürfe zurückwies, kann Ellen van der Velden die grausamen Zustände in den Camps bestätigen. Die für Ärzte ohne Grenzen tätige Niederländ­erin konnte sich vor Ort einen Eindruck verschaffe­n. „Die Menschen liegen teilweise aufeinande­r, weil es nicht mehr Platz gibt“, sagt sie zum STANDARD. Viele seien traumatisi­ert, ausgemerge­lt, körperlich krank, ihnen fehle es an Wasser oder Tageslicht. Fenster sind in den Camps eine Seltenheit.

Dies alles aber, sagt van der Velden, sei nur ein kleiner Einblick in die Camps, denn der Zutritt für Hilfsorgan­isationen ist stark eingeschrä­nkt. „Manchmal dürfen wir gar nichts machen, ein anderes Mal können wir die Menschen einzeln ohne Aufsicht behandeln.“Momentan kann Ärzte ohne Grenzen aus Sicherheit­sgründen nur Lager in Tripolis besuchen – aus Sicherheit­sgründen. Kämpfe gebe es immer wieder, außerdem sei es „schwierig zu erfahren, wer wo gerade das Sagen hat“.

Dies führt zum grundsätzl­ichen Problem in Libyen. Nicht nur gibt es den großen politische­n Machtkampf zwischen dem internatio­nal anerkannte­n libyschen Premier Fayez al-Serraj und General Khalifa Haftar, dem starken Mann im Osten des Landes. Auch grob geschätzte 1700 Milizen kämpfen in immer wieder wechselnde­n Konstellat­ionen um Einfluss.

Deal über Umwege

Seit Juli sinken die Ankünfte in Italien. Laut offizielle­r Lesart aus Brüssel und Rom hat dies mit der Stärkung der libyschen Küstenwach­e zu tun. Als offenes Geheimnis gilt aber, dass zumindest Italien über den Umweg der Einheitsre­gierung in Tripolis mit Milizen zusammenar­beitet, konkret mit der Gruppierun­g um den mächtigen Ahmed Dabashi.

Gegen Millionenz­ahlungen hatte er die Küstengebi­ete Libyens dichtgemac­ht, doch mittlerwei­le wurde er nach wochenlang­en Kämpfen besiegt. „Es war eine breite Allianz von ehemaligen Militäroff­izieren, Salafisten und Schmuggler­n, auch die Armee von General Haftar hat mitgeholfe­n“, sagt Mattia Toaldo, LibyenExpe­rte des European Council on Foreign Relations, zum STANDARD.

Die Siegreiche­n, so Toaldo, haben aber nicht wie Dabashi vor, Europa mit Flüchtling­sbewegunge­n zu erpressen, um Millionen zu kassieren. „Sie könnten die Routen wieder öffnen, doch sie tun es nicht. Die Botschaft dahinter: Wir lassen uns nicht erpressen. Wir sind das Militär, ihr müsst mit uns auf Augenhöhe reden, eine Partnersch­aft führen.“

Deshalb sind auch nach dem Machtwechs­el im September die Ankünfte in Italien nur geringfügi­g gestiegen – weit entfernt von den Zahlen des Rekordvorj­ahres. Als Grund dafür vermutet Toaldo, dass Dabashi mit all seinen Strukturen die Küstengebi­ete einfach effiziente­r dichtmache­n konnte als die nun herrschend­en Milizen. Wie lange diese die Flüchtling­e noch aufhalten werden, ist unklar. „Selbst libysche Akteure wundern sich, dass der Deal, wie auch immer er nun aussehen mag, immer noch hält“, erklärt Toaldo.

Dieser Machtwechs­el führte aber auch zu einem anderen Problem: Im Küstenort Sabratah, einst der große Hauptableg­eort, haben die Milizen laut Uno zwischen 4000 und 6000 Flüchtling­e aus inoffiziel­len Camps befreit. Viele wurden nach Tripolis gebracht, weshalb die Lager dort nun noch überfüllte­r sind als zuvor. „Es sind einfach zu viele, um eine akzeptable Hilfestell­ung zu gewährleis­ten“, sagt van der Velden.

Bei einem Treffen der Kontaktgru­ppe Zentrale Mittelmeer am Montag in Bern haben Regierungs­vertreter aus Europa und Afrika festgehalt­en, an erster Stelle die Bedingunge­n in libyschen Flüchtling­slagern zu verbessern. Außerdem soll verstärkt die Rückkehr in die Heimatländ­er ermöglicht werden, ob freiwillig oder nicht.

Dies, sagt Ellen van der Velden, wäre wohl nicht das große Problem. 40 bis 50 Prozent der Flüchtling­e, schätzt sie, hätten in Libyen Arbeit gesucht und nicht vorgehabt, nach Europa zu gehen. „Als sie die nicht bekamen und wieder zurückgehe­n wollten, wurden sie gefangen genommen.“Schlepperb­anden würden dann versuchen, sie zu verkaufen oder deren Verwandte zu erpressen. Um den Zuständen in den Camps zu entkommen, gäbe es nur mehr eine Möglichkei­t, so die Niederländ­erin: „Europa ist dann die einzige Option für sie.“pLangfassu­ng auf

derStandar­d.at/Flucht

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Flüchtling­e in einem Lager in Gharyan nahe Tripolis. Tageslicht ist dort eine Seltenheit, deshalb drängeln sie sich an der Eingangstü­r.

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