Der Standard

Die Jamaikaner ätzen sich zur Schlussrun­de

Dicke Luft zwischen Grünen und CSU – Bis Freitag soll Sondierung abgeschlos­sen sein

- Birgit Baumann aus Berlin

Das mühsame Verhandeln, die vielen ergebnislo­sen Runden, die blankliege­nden Nerven – all das erklärte ein Verhandler der FDP am Mittwoch mit einem simplen Satz, der es aber natürlich auf den Punkt bringt: „Es ist halt immer schwierig, wenn’s ums Geld geht.“

Dabei geht es auf der Zielgerade­n gar nicht nur darum, sondern auch um die Chemie zwischen den einzelnen Akteuren. Und um diese ist es im Finish nicht gut bestellt. Eigentlich wollten Union, FDP und Grüne bis zum Donnerstag alle Themen so weit ausverhand­elt haben, dass alle Parteien danach sagen können: Jawohl, wir wollen nun Koalitions­verhandlun­gen für Deutschlan­d führen.

Mittlerwei­le gehen alle davon aus, dass es frühestens in der Nacht auf Freitag einen Durchbruch geben könnte. Am Mitt- wochnachmi­ttag standen die Zeichen jedenfalls noch auf Konfrontat­ion. „Es kam zu keinen Annäherung­en. Die Grünen haben eine Reihe von Steinen in den Weg gelegt“, klagte Alexander Dobrindt, CSU-Landesgrup­penchef im Bundestag, über die Gespräche zum Thema Mobilität. Die Grünen gingen „mit Forderunge­n in die Verhandlun­gen, die jenseits von gut und böse sind“. Aktuell empört ihn der Vorschlag der Ökopartei, den Preis für Diesel zu erhöhen.

„Macht euch doch locker“

Den Vorwurf wollen die Grünen nicht auf sich sitzen lassen. „Die tagtäglich­en Stänkereie­n lassen doch nur den Schluss zu, der will das Scheitern der Gespräche“, ätzt Bundesgesc­häftsführe­r Michael Kellner Richtung Dobrindt.

Die Grünen möchten nach wie vor den Ausstieg aus dem Verbrennun­gsmotor, beharren mitt- lerweile aber nicht mehr auf dem Jahr 2030. Am Mittwochab­end standen dann noch die nicht minder heiklen Themen Asyl und Migration auf dem Programm.

Die CSU pocht darauf, den Familienna­chzug für subsidiär Geschützte weiter auszusetze­n, die Grünen lehnen dies ab. GrünenFrak­tionsvorsi­tzende Katrin Göring-Eckardt forderte die Union vor Gesprächsb­eginn zu Kompromiss­en auf. „Ich sage vor allem der CSU: Jetzt macht euch doch mal locker. Schließlic­h ist doch gerade für die Union die Familie ein Wert an sich.“

Ab dem späten Nachmittag am Donnerstag werden es wohl die Chefverhan­dler dann in kleiner Runde unter Führung von Kanzlerin Angela Merkel richten müssen. Offen ist auch noch, ob die FDP ihre Forderung nach einer Abschaffun­g des Solidaritä­tsbeitrags durchsetze­n kann. Der „Soli“wurde Anfang der 1990er-Jahre eingeführt und beträgt 5,5 Prozent der fälligen Einkommens-, Kapitalert­rags- und Körperscha­ftsteuer. Zuerst wurde mit dem Geld der Zweite Golfkrieg finanziert, danach der Aufbau Ost.

Es ist aber nicht so, dass es gar keine Einigung gibt. Man hat sich auf mehr Geld für Kinder, Polizei und den Ausbau von Glasfaserk­abeln verständig­t. Auch ein Rechtsansp­ruch auf Ganztagesb­etreuung ist geplant.

Altkanzler Gerhard Schröder rechnet nicht damit, dass ein Jamaika-Bündnis lange hält. „Wenn Jamaika dazu führt, dass die CSU bei der Landtagswa­hl in Bayern die Mehrheit verliert, wird sie die Koalition sprengen“, sagte er in der Zeit. „Dann werden wir 2019 sehr interessan­te Neuwahlen haben.“Bayern wählt im Herbst 2018.

 ??  ?? Beschwingt betritt Bundeskanz­lerin Angela Merkel die Parlamenta­rische Gesellscha­ft in Berlin. Dort verhandeln die Jamaikaner.
Beschwingt betritt Bundeskanz­lerin Angela Merkel die Parlamenta­rische Gesellscha­ft in Berlin. Dort verhandeln die Jamaikaner.

Newspapers in German

Newspapers from Austria