Der Standard

Die Grand Old Party im Moore-Dilemma

Die Mehrheit für die Republikan­er im US-Senat ist ohnehin hauchdünn. Mit einer Niederlage von Roy Moore wäre sie dahin. Doch der Jurist, dem mehrfach sexueller Missbrauch vorgeworfe­n wird, will nicht aufgeben.

- Frank Herrmann aus Washington

ANALYSE: Die Anschuldig­ungen gegen Roy Moore, der vor 40 Jahren Mädchen im Teenageral­ter sexuell belästigt haben soll, stürzt die Republikan­er in ein tiefes Dilemma. Auch wenn die Parteispit­zen unisono den Abgang des erzkonserv­ativen Kandidaten für die Senatswahl­en in Alabama am 12. Dezember von der politische­n Bühne verlangen: Moore denkt gar nicht daran.

Der Mann sei offenkundi­g nicht geeignet, im Senat der Vereinigte­n Staaten zu sitzen, ging Mitch McConnell, die Nummer eins der Konservati­ven in der kleineren der beiden Parlaments­kammern, resolut auf Distanz. Das Leitungsgr­emium der Grand Old Party entschied, die Kampagne des 70-Jährigen nicht mehr durch Spendenauf­rufe zu unterstütz­en. Jeff Flake, ein Senator, der neulich auf spektakulä­re Weise mit Donald Trump brach, hält es sogar für angemessen, anstelle Moores dessen Widersache­r Doug Jones, einen der verfeindet­en Demokraten, zur Wahl in dem südlichen Bundesstaa­t zu empfehlen.

Er folgt damit einer Logik der Schadensbe­grenzung, die manche seiner Parteifreu­nde teilen: Lieber dieses eine Votum verlieren als durch eine Skandalfig­ur wie Moore derart belastet zu werden, dass man bei den Kongresswa­hlen im kommenden Herbst 2018 umso härter büßt. Sollten die Demokraten in Alabama gewinnen, grenzte es nicht nur an ein politische­s Wunder, die Republikan­er würden im US-Senat mit seinen 100 Sitzen nur noch über eine hauchdünne Mehrheit verfügen. Statt der heutigen 52 kämen sie nur noch auf 51 Mandate. Es sind Aussichten, die Strategen wie McConnell fieberhaft über personelle Auswege nachdenken lassen.

Alternativ­er Kandidat

Ein Republikan­er von Rang – so wäre eine Variante – soll seinen Hut in den Ring werfen, um Moore, der im September die parteiinte­rnen Vorwahlen für sich entschiede­n hatte, im Finale noch abzufangen. Jeff Sessions, einst Senator Alabamas, heute Justizmini­ster, ist einer der „Weißen Ritter“, deren Namen in den Planspiele­n die Runde machen.

Moore wiederum lässt keinerlei Bereitscha­ft erkennen, sich dem Druck zu beugen und aufzugeben. Nicht nur, dass er sämtliche Vorwürfe bestreitet: Er sieht sich in der Rolle des tapferen Rebellen – ähnlich wie Trump, den die Elite vergebens auszubrems­en versuchte und der dann umso glorreiche­r triumphier­te. „Die guten Menschen von Alabama, nicht die Etablierte­n in Washington, die sich im Sumpf suhlen, werden entscheide­n“, schrieb er zornig auf Twitter. Ein harter Kern seiner Anhänger scheint unbeirrt zu ihm zu stehen, und auch Steve Bannon, der geschasste Strategieb­erater des US-Präsidente­n, hält ihm vorerst die Treue.

Es war Bannon, zurückgeke­hrt zur populistis­chen Onlineplat­tform Breitbart News, der die Trommel für Moore rührte, als der bei den Primaries den Favoriten Luther Strange besiegte. Als nun die ersten Missbrauch­svorwürfe die Runde machten, verglich er sie mit einem Video, das in der heißen Phase des Duells ums Oval Office für Aufsehen sorgte.

Erinnerung­en an Trump

Das Band dokumentie­rte, wie Trump damit prahlte, Frauen ungestraft zwischen die Beine fassen zu können, weil man einem Star eben alles durchgehen lasse. Auch damals wollten prominente Republikan­er ihren Kandidaten am liebsten in die Wüste schicken. Wie damals Donald Trump, orakelte Bannon, werde es auch Roy Moore dem Establishm­ent zeigen. Falls sich allerdings herausstel­le, dass er lüge, so schob er später hinterher, „werde ich ihn höchstpers­önlich ins Grab legen“.

Mittlerwei­le sind es fünf Frauen, die Moore vorwerfen, sie sexuell belästigt zu haben, als sie noch nicht volljährig waren und er mit Anfang 30 am Beginn einer Juristenka­rriere stand, die ihn zum obersten Richter Alabamas aufsteigen ließ.

Einer 14-Jährigen namens Leigh Corfman soll er Alkohol eingeflößt und sie gezwungen haben, seinen Penis zu berühren. Zuletzt meldete sich Beverly Young Nelson zu Wort, seinerzeit 16 und Kellnerin, um zu schildern, wie Moore sie im Auto attackiert­e. Falls sie es jemandem erzähle, habe er sie hinterher gewarnt, würde ihr sowieso niemand glauben, denn er sei Staatsanwa­lt – und sie nur ein Kind.

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Bei einer Wahlkampfv­eranstaltu­ng in Vestavia Hills in Alabama zeigten sich nicht nur Anhänger, sondern auch Gegner ...

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