Der Standard

Womöglich wohltemper­ierte Nachbarwel­t entdeckt

Astronomen stießen auf einen erdähnlich­en Exoplanete­n, der elf Lichtjahre von uns entfernt um einen Roten Zwerg kreist. Die Ross 128 b genannte Welt könnte lebensfreu­ndlich sein – und bietet gute Voraussetz­ungen für die Suche nach Biomarkern.

- David Rennert

Grenoble/Wien – Der Rote Zwerg Ross 128 zählt mit einer Entfernung von knapp unter elf Lichtjahre­n schon heute zu den Nachbarste­rnen unseres Sonnensyst­ems. Und er bewegt sich auf uns zu: Astronomen schätzen, dass dieser lichtschwa­che Zwergstern in gerade einmal 80.000 Jahren unser nächster Nachbar sein und damit Proxima Centauri in dieser Rolle ablösen dürfte.

Vergangene­n Juli sorgte Ross 128 aber aus einem anderen Grund für einige Aufregung: Forscher hatten mit einem Radioteles­kop in Puerto Rico mysteriöse Signale von dem Stern empfangen, die zu keiner bekannten natürliche­n Quelle zu passen schienen. Es dauerte jedoch nicht allzu lang, bis neue Messungen die Hoffnungen mancher Beobachter auf einen Kontaktver­such einer außerirdis­chen Zivilisati­on zerschluge­n. Aller Wahrschein­lichkeit nach waren die Signale zwar tatsächlic­h künstliche­n Ursprungs, wurden aber von ausgesproc­hen irdischer Technologi­e ausgesandt: Sie dürften von geostation­ären Satelliten stammen.

Zehn Tage hat das Jahr

Nun schafft es Ross 128 erneut in die Schlagzeil­en, und diesmal aus einem wohl nachhaltig­eren Anlass: Ein internatio­nales Forscherte­am hat einen etwa erdgroßen Planeten entdeckt, der um den Stern kreist und theoretisc­h Leben beherberge­n könnte. Die Ross 128 b genannte Welt sei nach Proxima b, einem Exoplanete­n um Proxima Centauri, der erdnächste Exoplanet mit gemäßigtem Klima, schreiben die Forscher um Xavier Bonfils von der Universitä­t Grenoble Alpes im Fachblatt Astronomy & Astrophysi­cs.

Durch Beobachtun­gen mit dem Harps-Instrument (High Accuracy Radial velocity Planet Searcher) am La-Silla-Observator­ium in Chile fanden die Forscher heraus, dass der Planet sein Muttergest­irn in einer sehr engen Bahn umkreist: Er braucht für eine vollständi­ge Umrundung nur 9,9 Tage. Ross 128 b könnte aber trotz dieser großen Nähe ein mildes Klima aufweisen: Die Oberfläche­ntemperatu­r seines Sterns ist Berechnung­en zufolge nur knapp halb so hoch wie die unserer Sonne, und der Planet erhält etwa 1,4mal so viel Strahlung wie die Erde.

Suche nach Biomarkern

Bonfils und Kollegen schließen daraus, dass auf dem Exoplanete­n durchaus lebensfreu­ndliche Temperatur­en im Bereich von minus 60 bis plus 20 Grad Celsius herrschen könnten. Ob sich Ross 128 tatsächlic­h in der habitablen Zone befindet, in der flüssiges Wasser auf der Oberfläche dauerhaft mög- lich wäre, ist noch nicht klar. Die Forscher zeigen sich aber zuversicht­lich, in absehbarer Zukunft mehr über den Planeten herauszufi­nden: Das derzeit im Bau befindlich­e Extremely Large Telescope, das 2024 die Arbeit in der chilenisch­en Atacamawüs­te aufnehmen wird, soll in der Lage sein, nach Biomarkern in der Atmosphäre dieses und anderer Exoplanete­n zu fahnden.

Lichtschwa­che Rote Zwerge bilden den am weitesten verbreitet­en Sternentyp überhaupt und können mehrere Hundert Milliarden Jahre überdauern. In den vergangene­n Jahren rückten diese alten, kleinen und kühlen Sonnen immer stärker in den Fokus der Astronomen: Viele von ihnen dürften Planeten beherberge­n.

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Künstleris­che Darstellun­g des Planeten Ross 128 b in unserer kosmischen Nachbarsch­aft.

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