Der Standard

Sonnenfins­ternis im Toten Gebirge

Am Freitag erscheint das famose Debütalbum von Paul Plut: „Lieder vom Tanzen und Sterben“

- Karl Fluch

Wien – Auf den Berg möchte man mit ihm nicht. Denn Paul Plut schleppt sich schon beträchtli­ch. Zusätzlich schultert er einen Rucksack, der mit schweren Themen befüllt ist: das Leben mit besonderem Augenmerk auf den letzten Moment desselben. Doch vielleicht liegt es an den Bergen selbst. Denn dort, wo Paul Plut herkommt, ist das Tote Gebirge nicht weit. Ein ungastlich­es Stück Erde, kein Wunder, dass er sich ziert, nicht rauf will.

Dennoch spielt die Landschaft in seiner Musik eine Rolle. Mit Lieder vom Tanzen und Sterben veröffentl­icht der 1988 geborene Steirer diese Woche sein Debütalbum als Solokünstl­er. Zuvor war er mit der Formation Viech sowie der Band Marta auffällig geworden. Die eine produziert­e Indie-Pop mit deutschen Texten, Marta gab als grimmige ZweiMann-Rockband ordentlich Gas und schuldete einen Gutteil ihrer Überzeugun­gskraft der Stimme des Paul Plut. So klingt einer, der seine Zukunft mit vollem Einsatz hinter sich gebracht hat.

Seine Stimme ist demnach das zentrale Instrument seines Solodebüts. Wobei sich der dem Blues geschuldet­e Expression­ismus von Marta auf Lieder vom Tanzen und Sterben in ein erzähleris­ches Grummeln verwandelt hat: Leonard Cohen auf der Planai, Tom Waits als Stimmungsk­iller bei der Hüttengaud­i, Portishead im Steilhang. Plut knurrt seine Texte mehr, als er sie singt. Als säße er als Chronist beim Dorfwirten und beobachte das Treiben, werte es und richte. Das zeitigt in Stücken wie Vota oder Wer gehörig Wirkung, wenngleich ein bisserl Abwechslun­gsreichtum am Mikrofon dem Album gut anstünde, da sich die existenzie­lle Schwere in manchen Liedern schon ein wenig abnützt.

Der Dialekt des Schladming­ers transporti­ert eine Sicht aufs Leben, die nicht gerade strandanim­ationstaug­lich ist. So schroff wie die Gegend ist, so grob behaut er seine Songs; das lässt zwischen den Zeilen Platz für die Atmosphäre. Das Fundament seiner Lieder bilden rhythmisch­e Mantras, die er nachjustie­rt und zart verändert. Dabei tritt eine Prägung zutage, die von einschlägi­gen Inspiratio­nen stammt: Männern in Schwarz, rachitisch­en Bluesern, verwittert­en Kunstleide­rn.

Sinnsuche im Hier und Jetzt

Man könnte Pluts Musik als Alpin-Gospel bezeichnen. Wobei Gospel afroamerik­anischer Herkunft sich im Dienst einer frohen Botschaft versteht, das Prinzip Hoffnung hochhält, Erlösungsm­usik ist. Pluts Gospel scheint hingegen keine Wendung zum Besseren zu erwarten, das Korsett des Katholizis­mus hat ihn fest im Griff, egal ob er vom Glauben längst abgefallen ist oder nicht.

Die Texte kreisen um ihren Schöpfer und gehen dabei auf Sinnsuche im Hier und Jetzt. Nennen wir es atheistisc­hen Gospel. Das ist immerhin eine nur halbfatali­stische Sicht aufs Leben, denn wer nichts erhofft, wird nur selten enttäuscht.

Gleichzeit­ig – das ist die gute Nachricht – offenbart sich in all dieser inszeniert­en Sonnenfins­ternis eine Detailverl­iebtheit, die stellenwei­se sogar in einen richtigen Groove kippt. Etwa am Ende des Songs Klatsch oder dem darauf folgenden Erdn (Lagos), dem einzigen Lied, dessen Titel sich nicht in einem Wort erschöpft. Auch das passt zur Musik.

Plut hält seine Texte knapp, entsagt jeglicher Geschwätzi­gkeit. Lieder vom Tanzen und Sterben birgt enormes Potenzial. Die Formel passt, die ersten Resultate stimmen, aber da geht noch mehr. Jede Wett’. Live, 17. 11., Orpheum Graz, 20.00

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Foto: Gerfried Guggi Alpiner Gospel und rhythmisch­e Mantras: Paul Plut.

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