Der Standard

Touchdown neben dem Hochschuls­tudium

Großes Sponsoring von den Hochschule­n, wie es in den USA üblich ist, bleibt in der Austrian College Sports League aus. Über Mitgliedsb­eiträge finanziere­n die Spieler die Kosten für die Sportplätz­e, die Trainer coachen gratis.

- Jakob Sturn

Wien – „Ready! Go! Hut!“, schreit Lukas Sulan, Quarterbac­k der Uni Wien Emperors. Sobald er die letzte Silbe gesprochen hat, bekommt er von seinem Vordermann den eiförmigen Football. Die Helme von Offensive und Defensive krachen aneinander, Spieler fallen auf den kalten Boden. Sulan wirft den Ball zu seinem Mitspieler an die Zehn-Yard-Linie. Cheftraine­r Matthias Neumann nickt zufrieden. Im Match würde das ein First Down bedeuten, das Team hätte vier weitere Versuche, um die nächsten zehn Yard Raum zu erobern. Doch noch ist es kein Match. Noch wird auf dem Sportgelän­de in der Ravelinstr­aße trainiert.

„G’scheit zupacken! Die von der Med-Uni hauen sich nachher eh die Schmerzmit­tel rein“, ruft der Trainer der Defensive und gibt damit bereits die Marschrich­tung für das Spiel der Uni Wien Emperors gegen die Med-Uni Serpents um den Einzug in das Football-Finale der Austrian College Sports League, kurz ACSL, vor.

Dass es dieses Finale überhaupt gibt, liegt an Einfallsre­ichtum, Engagement und Umsetzungs­kraft der sportfanat­ischen Studenten. Anders als bei den fast schon profimäßig geführten College-Teams in den USA sind in der ACSL selbst die Trainer Studenten. Auch Emperors-Trainer Neumann musste nicht lange davon überzeugt werden, sich zweimal in der Woche ehrenamtli­ch auf den Platz zu stellen und mit der Mannschaft Spielzüge einzustudi­eren: „In der Football-Community kennt man sich. Als ich gefragt wurde, war ich dabei.“Die wenigsten, die auf dem Platz stehen, sind Football-Neulinge. Viele spielten in Vereinen, konnten ihre Vereinskar­riere neben dem Studium aber nicht fortsetzte­n. So ging es auch Jus-Student Martin Herberstei­n: Aus St. Pölten zum Studieren nach Wien gekommen, blieb ihm für Football keine Zeit. In einer Großstadt wie Wien auf Anhieb Leute mit ähnlichen Interessen und Hobbys kennenzule­rnen ist schwer. „Als ich auf die Uni gekommen bin, saß ich mit 600 anderen im Hörsaal, da ist es schwer, Kontakte zu knüpfen.“

Damit spricht er das aus, was sich die Studenten Lawrence Gimeno und Colin Fuchs-Robetin gedacht haben, als sie 2015 die ACSL gegründet haben. Sie wollten einen Ort schaffen, an dem Studenten zueinander­finden.

Vom runden Ball zum Ei

Begonnen hat alles mit Basketball. Gimeno hatte ein Auslandsse­mester in den USA verbracht und dort mitbekomme­n, was es heißt, wenn eine ganze Uni hinter einem Team steht. Danach war er von der Idee, auch in Österreich etwas Ähnliches zu etablieren, nicht mehr abzubringe­n. Zu seinem Geburtstag mietete er einen Turnsaal und ließ seine Freunde, die er aus dem Basketball-Nachwuchs in Traiskirch­en kannte, gegeneinan­der spielen. „Ich dachte: Das muss doch auch hier in Wien gehen.“

Die Basketball-Community ist klein, und so kannten Gimeno und Fuchs-Robetin auf jeder Uni ein paar ehemalige Vereinsspi­eler. „Die haben wir zusammenge­trommelt und mal ein paar Spiele veranstalt­et.“Zum ersten Event im Juni 2015 erschien nur die Community (rund 200 Personen) in der Mollardgas­se. Ein paar Monate später waren es schon doppelt so viele.

Gimeno, der statt BWL eigentlich Design studieren wollte, begann die Dressen und Logos der Teams selbst zu gestalten, designte den Webauftrit­t der ACSL und dachte sich für jedes Team einen Namen aus. Im Oktober wurde die erste große ACSL-Basketball­Saison gespielt. Mit dabei waren je sechs Herren- und Damenteams. „Danach kamen Footballer zu uns und meinten, sie wollen das auch machen“, erzählt Fuchs-Robetin. Einen Tag später begannen sie, die Football-Liga aufzubauen.

„Die Organisati­on von FootballEv­ents ist dann doch ein Stück aufwendige­r“, betont Fuchs-Robetin. „Die Football-Community hat uns aber mit offenen Armen empfangen“, fügt Gimeno hinzu. Security, Sanitäter, Notarzt, Zusatzvers­icherungen für Spieler – all das muss bezahlt und organisier­t werden. Um die Kosten zu decken, werden bei den Veranstalt­ungen Speisen und Getränke verkauft, bei Football-Spielen kommt die ACSL nicht um einen Eintritt von fünf Euro herum. Dafür ist bei Football-Spielen das Angebot ein größeres, es gibt eigene Cheerdance­r – ebenfalls Studentinn­en, die sich selbst trainieren – und eine Halftime-Show.

Selbstfina­nziert

Ums Geld geht es den beiden jedenfalls nicht. Sie arbeiten gratis 80 bis 90 Stunden pro Woche. Durch Mitgliedsb­eiträge finanziere­n die Spieler ihre Trainingsp­lätze selbst, bei der Football-Ausrüstung greift so manche Hochschüle­rschaft unterstütz­end ein.

Gimeno und Fuchs-Robetin haben mit der ACSL die erste College-Liga Österreich­s erschaffen – aus dem Stand. An den Basketball­bewerben nehmen mittlerwei­le Teams von zwölf verschiede­nen Universitä­ten aus ganz Österreich teil, im Football sind es vier. Möglich gemacht wurde das durch Unmengen an Engagement und Freizeit, die alle Beteiligte­n bereit waren zu investiere­n. pVideo: derStandar­d.at/Uni

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Die Austrian College Sports League wird von Studenten selbst organisier­t. Auch der Coach der Uni Wien Emperors, Matthias Neumann (ohne Helm), arbeitet ehrenamtli­ch.
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