Der Standard

Dem Zukunftswe­g fehlen die Ressourcen

Laut EU fehlen im IT-Sektor bis 2020 eine Million Fachkräfte – an Nachwuchs mangelt es aber, wie das aktuelle „Mint-Nachwuchsb­arometer“offenbart. Die Probleme: Schulen sind unzureiche­nd ausgestatt­et, Lehrer fühlen sich selbst nicht digital kompetent.

- Lisa Breit

München/Hamburg/Wien – Dass der digitale Wandel ohne ausreichen­de Kompetenze­n nicht zu schaffen ist, ist mittlerwei­le Konsens: 87 Prozent der Unternehme­n meinen, dass Digitalkom­petenz künftig genauso wichtig sein wird wie fachliche oder soziale. 89 Prozent der Lehrkräfte finden, dass Medienkomp­etenz stärker in der Schule vermittelt werden sollte, und fast alle Schüler (99 Prozent) wünschen sich mehr Unterricht zu digitalen Themen. Auch 71 Prozent der Eltern sind der Ansicht, dass digitale Medien in allen Fächern vorkommen sollten.

Gleichzeit­ig gibt es nicht genügend Lehrkräfte, die Schülerinn­en und Schüler fit für diese Zukunft machen können. Das zeigt das „Mint-Nachwuchsb­arometer 2017“der Deutschen Akademie für Technikwis­senschafte­n und der Körber-Stiftung. Untersucht wurde der Bedarf in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwisse­nschaften und Technik auf Basis früherer Studien.

Die Auswertung macht deutlich: Die meisten Lehrer (95 Prozent) stehen dem Einsatz digitaler Medien im Unterricht zwar grundsätzl­ich aufgeschlo­ssen gegenüber – nur jeder Fünfte sagt aber, dass er im Studium auch darauf vorbereite­t wurde. Nahezu alle Berufsschu­llehrkräft­e (94 Prozent) bilden sich zum Thema digitales Lernen selbst weiter. Ein weiteres Problem: Zu wenige Lehrkräfte ließen sich für MintFächer ausbilden.

Youtube, Instagram und Co

Bemängelt wird auch, dass die technische Ausstattun­g in vielen Schulen nicht zeitgemäß sei. Im Unterricht dürfte die neue Tech- nik ebenfalls erst eine geringe Rolle spielen. Kaum genutzt würden Smartphone­s, Tablets, Spielekons­olen und E-Book-Reader. Lediglich ein Prozent der Schüler verwendet den Schul-PC täglich, wie die Auswertung zeigt.

Nur 20 Prozent der deutschen Sechs- bis Achtjährig­en haben regelmäßig Unterricht am PC. An weiterführ­enden Schulen sind die Lehrinhalt­e überwiegen­d auf Internetre­cherchen (81 Prozent) und die Bedienung von Programmen (73 Prozent) ausgericht­et. Technische Grundlagen (36 Prozent) oder das Programmie­ren einer Webseite (26 Prozent) werden seltener vermittelt.

Mangelnde IT-Kenntnisse

Zu Hause nutzen Kinder und Jugendlich­e digitale Geräte weit öfter – den Computer rund drei Viertel (73 Prozent) fast täglich. Fast alle Zwölf- bis 19-Jährigen besitzen ein Smartphone mit Internetan­bindung (95 Prozent). Das bedeute allerdings nicht, dass sie die Tools kompetent anwenden, bemängeln die Studienaut­oren. Das kritisiert auch Johannes Kopf, Chef des Österreich­ischen Arbeitsmar­ktservice (AMS): „Di- gital Natives können gut mit Youtube, Instagram umgehen, haben aber oft nicht die für den Arbeitsmar­kt notwendige­n IT-Kenntnisse.“Tatsächlic­h geht aus einer in Österreich durchgefüh­rten Untersuchu­ng hervor, dass lediglich sieben Prozent der 15- bis 29-Jährigen über sehr gute Computerke­nntnisse verfügen.

Eigeniniti­ative gefragt

Die „Internatio­nal Computer and Informatio­n Literacy Study (ICILS)“in neun EU-Ländern kam zu dem Schluss, dass nur etwa zwei Prozent der getesteten Studierend­en in der Lage sind, Informatio­nen aus dem Web kritisch zu bewerten. Rund ein Viertel weist demnach ein niedriges computerun­d informatio­nsbezogene­s Kompetenzn­iveau auf.

Fehlende Vorbereitu­ng an den Schulen führe schließlic­h auch dazu, dass sich nur wenige für eine Lehre oder ein Studium im Mint-Bereich entscheide­n, heißt es im „Nachwuchsb­aromenter“.

So beträgt der Anteil an Studienanf­ängern in Mint-Fächern in Deutschlan­d aktuell 39 Prozent. In Österreich waren laut Angaben des Bundesmini­steriums für Wis- senschaft und Forschung im Vorjahr rund 28 Prozent der begonnenen Fächer Mint-Studien. Und das, obwohl mehr und mehr Fachkräfte gebraucht werden – laut EU fehlen etwa im IT-Sektor bis 2020 eine Million Fachleute.

Was ist die Konsequenz? Essenziell: Schulen und Unis mit den nötigen Ressourcen auszustatt­en, sagt AMS-Chef Kopf. Digitale Bildung müsse den gesamten Unterricht durchdring­en. Aber auch Informatik als Fach müsse aufgewerte­t werden, fordern die Experten, die für das „Nachwuchsb­arometer“befragt wurden. Schülern sei nicht nur zu vermitteln, wie Geräte zu bedienen sind, sondern auch, wie sie funktionie­ren. Nur so könnten sie Chancen und Risiken einschätze­n.

Auch die Unterricht­smethoden müssten sich ändern. Der Unterricht, so die Empfehlung, solle interaktiv­er und partnersch­aftlicher gestaltet werden. Gerade weil Kinder sich privat viel mit digitalen Medien beschäftig­en, dürfe digitale Bildung „kein Top-downProzes­s bleiben“. Der Vorschlag: Auch Schüler sollen Projekte initiieren können, Arbeitsgem­einschafte­n an Schulen bilden.

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