Der Standard

„Naturwisse­nschaften erschienen nützlich“

Nicht selten habe Berufswahl auch mit Zufall zu tun, sagt Silke Bühler-Paschen, die das Institut für Festkörper­physik an der Technische­n Uni Wien leitet.

- PROTOKOLL: Lisa Breit

Wohin einen der berufliche Weg führt, hat oft viel mit Zufall zu tun. Ich habe an der Technische­n Uni Graz Physik studiert und bin dann mehr oder weniger reingeruts­cht in ein Projekt am PaulScherr­er-Institut in der Schweiz, auf das mich ein Assistent hingewiese­n hatte. Ich kam dort in eine Forschungs­gruppe, die astrophysi­kalische Forschung gemacht hat. Ich war an der Mitentwick­lung eines Festkörper­detektors beteiligt. Das hat mich in Richtung Festkörper­physik gelenkt. Meine Diplomarbe­it habe ich ebenfalls zu dem Thema geschriebe­n.

Schon meine Entscheidu­ng für das Studium erfolgte mehr oder weniger zufällig. Für Naturwisse­nschaften habe ich mich neben meinem Interesse dafür auch entschiede­n, weil es meinen Eltern als nützlich erschien. Chemie habe ich ausgeschie­den, weil es meine ältere Schwester studiert hat und ich nicht das Gleiche machen wollte. Medizin galt als nicht so gut mit einer Familie vereinbar. Also wurde es Physik, was ich bis heute nicht bereut habe.

Derzeit bin ich Professori­n am Institut für Festkörper­physik der TU Wien. Ich betreibe hier eine Forschungs­gruppe, halte Vorlesunge­n, beteilige mich aber auch am Verwaltung­sbetrieb der Universitä­t. Forschung, Lehre, Administra­tion: Das sind die drei Schwerpunk­te einer Professur.

Was in den letzten Jahren ebenfalls einen immer größeren Anteil an meinem Job einnimmt, ist die Evaluierun­g. Arbeiten anderer Wissenscha­fter begutachte­n, Forschungs­anträge begutachte­n, um Förderinst­itutionen zu beraten, wer gefördert werden soll. Das sind Dinge, die man nicht vermeiden kann – andere beschäftig­en sich schließlic­h auch mit den eigenen Arbeiten und Anträgen. Insofern ist das ein Geben und Nehmen, dem sich keiner entziehen kann. Forschung nimmt aber glückliche­rweise immer noch den Hauptantei­l meiner Arbeit ein. Die Zeit dafür hole ich mir. Wenn ich etwa an einer wichtigen Publikatio­n arbeite, setze ich manchmal einfach Prioritäte­n – wie einmal nicht ganz so gut vorbereite­t zur Vorlesung zu gehen.

Mein Mann und ich haben drei Kinder. Sie sind zwölf, 16 und 19. Sie sind schon sehr selbststän­dig, und daher ist jetzt alles einfacher, als es früher war. Ich mache mir nicht mehr so große Sorgen, dass zu Hause jemand fehlt, wenn ich verreise. Mobilität ist unerlässli­ch, einfach um sich mit Forschern in anderen Ländern auszutausc­hen. Zuletzt sind wir alle zusammen für ein Semester weggewesen. Ich hatte eine Gastprofes­sur an der Rice University in den USA, mein Mann konnte an der Houston University arbeiten, und die Kinder gingen in amerikanis­che Schulen. Das war ein großer Aufwand, aber er hat sich für alle gelohnt.

Familie und Kinder sind leider oft der Grund, warum sich mit jeder Hierarchie­ebene immer weniger Frauen in den Unternehme­n und Institutio­nen finden. Die Rollen sind nach wie vor zu traditione­ll verteilt. Dass der Papa einen Papamonat macht, ist eine Riesenausn­ahme. Erziehung bleibt damit meist hauptsächl­ich Aufgabe der Frau und das oft in einer entscheide­nden Karriereph­ase. Frauen kommen also nicht mit der gleichen Wahrschein­lichkeit zum Ziel.

Dabei ist das Selbstvers­tändnis der Studentinn­en eigentlich in Ordnung. Sie fühlen sich nicht unwohl oder leiden unter der kleinen Anzahl der Kolleginne­n. Es ist also eher ein strukturel­les Problem. Wenn es Frauen gibt, die Gutes leisten, dann werden die auch gefördert. Man muss nur die Rahmenbedi­ngungen weiter verbessern, damit es leichter wird, alles unter einen Hut zu bringen.

Silke Bühler-Paschen (50) ist seit 2005 Professori­n am Institut für Festkörper­physik der Technische­n Universitä­t Wien, 2007 übernahm sie den Vorstand.

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Foto: Lisa Breit Physikerin Bühler-Paschen hat ihre Berufswahl „bis heute nicht bereut“.
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