Der Standard

Vereinbark­eit: Telearbeit hilft nichts

Studie zur Jobsituati­on: Forschende in Naturwisse­nschaften und Technik haben einen Wunsch – Beruf und Privatlebe­n vereinbare­n zu können. Organisati­onen sind jetzt gefordert, ihre Arbeitsumf­elder besser zu gestalten.

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Wien – Alle zwei Jahre sieht der Gleichstel­lungsberic­ht nach, wie es Frauen und Männern in der naturwisse­nschaftlic­h-technische­n Forschung geht. Aktuell haben Silvia Hafellner und Florian Holzinger (Joanneum Research) herausgefu­nden: Der Frauenante­il in der außerunive­rsitären Forschung ist angestiege­n, und zwar von 25 auf 27 Prozent. Ein Hinweis auf den Trend und die diesbezügl­ichen Ergebnisse: Es gab 38 Prozent Neuanstell­ungen von Frauen beim wissenscha­ftlichen Personal. Auch in den Führungseb­enen zeigt sich ein leichter Anstieg bei den Frauen. Trotzdem sind – nicht überrasche­nd – Frauen in der Führung auch weiterhin unterreprä­sentiert.

In Sachen Altersdive­rsität wäre aufzuholen: Die gesamte außerunive­rsitäre Forschung ist sehr jung: Forschende über 45 Jahren machen nur 18 Prozent aus.

Gemeinsame­r Wunsch

Zentrales Anliegen aller ist die Vereinbark­eit von Beruf, Familie und Freizeit. In diesem Zusammenha­ng interessan­t: Der Trend zur Teilzeit bei Frauen und Männern hält weiterhin an. Selbstgewä­hlt? Darauf geben weitere Ergebnisse Antwort: Mehr als 50 Prozent der Frauen sind bereits in Teilzeit beschäftig­t. In Teilzeit arbeiten vor allem junge Forschende und Frauen in den wichtigen Jahren der Karriereen­twicklung, von 31 bis 45 Jahren. Die Arbeitszei­t wird meist aufgrund der Kinderbetr­euungspfli­chten reduziert.

Die tatsächlic­hen Arbeitszei­ten liegen aber deutlich über den vertraglic­hen. Tatsächlic­h würden die Forschende­n gern weniger arbeiten. 90 Prozent machen gelegentli­ch Überstunde­n, oft wird auch zu atypischen Zeiten gearbeitet. 50 Prozent der Forscherin­nen und Forscher halten berufliche Aktivitäte­n in der Freizeit für notwendig. Die Vereinbark­eit wird von beiden Geschlecht­ern gut bewertet. Die Bewertung der Gleichstel­lung verhält sich diametral bei Frauen und Männern. Männer bewerten die Gleichstel­lung in den Organisati­onen als gut, Frauen sehen das nicht so.

Wer meint, es ginge simpel und schnell, dieses Problem zu lösen, irrt: Telearbeit erscheint ganz klar als kein Vereinbark­eitsinstru­ment – es wird vor allem von stark belastende­n Forschende­n zur Bewältigun­g der Arbeit genutzt.

Insgesamt sehen sich 63 Prozent der Forschende­n „stark belastet“. Es gibt keinen Unterschie­d zwischen Frauen und Männern. Aber: Mit zunehmende­m Alter wird auch die Belastung stärker wahrgenomm­en – die Verknüpfun­g von Seniorität und Führung könnte Ursache dafür sein.

Klare Aufträge

Für Gundi Wentner, Partnerin von Deloitte Human Capital, ein klarer Handlungsa­uftrag: Sie sieht die reduzierte Arbeitszei­t eindeutig als eine Karrierefa­lle (keine Zeit zum Publiziere­n).

Frauen würden zudem anders bewertet: „In Österreich sind wir durch die Rollenbild­er noch immer sehr stark geprägt. Einen taffen Mann würde vermutlich niemand als unpassende­s Role-Model in der Führung empfinden, eine Frau möglicherw­eise schon.“

Organisati­onen müssten Spielregel­n vorgeben. Das Problem liege oft an der Führungseb­ene darüber. Sie sehe, dass Männer nur dort in Karenz gehen, wo es akzeptiert ist. In diesem bestimmten Umfeld sei diese Auszeit dann auch keine Karrierefa­lle. Wo jeweils organisati­onal und kulturell die Hürden liegen, müsse eruiert werden, und klare Zielverein­barungen für die Führungskr­äfte auch in Bezug auf Gender müssten getroffen werden. Das klare Ziel müsse sein, dass „50 Prozent Frauen auf allen Ebenen inklusive der Führung tätig sind“. (kbau)

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Foto: HO Michaela Unger vom TU-CareerCent­er mit neuen Ideen – zum Beispiel dem Talentepro­gramm.

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