Der Standard

Schön langsam kribbelt die nächste Übersiedlu­ng

Die Wiener Porzellank­ünstlerin Sandra Haischberg­er wohnt im sechsten Bezirk. Ihre Wohnung ist voller Anekdoten und Krimskrams­gegenständ­e. Und dennoch träumt sie bereits von den nächsten Umzugskart­ons.

- PROTOKOLL: Wojciech Czaja

Meine Wohnung ist in mehrere Stimmungsa­bschnitte unterteilt. Das Wohnzimmer ist hell und weiß und für mich ein Ort der Luftigkeit und Leichtigke­it. Das Schlafzimm­er ist in Grün- und Grautönen gehalten und dient eher der Ruhe und Entspannun­g. Und die Küche ist ganz dunkel in Grau, Schwarz und Messingtön­en und verkörpert so etwas wie Rückzug und Gemütlichk­eit. Ich kann’s nicht besser beschreibe­n, aber jeder Raum deckt auf diese Weise eine ganze bestimmte Stimmung und Facette meiner Person ab.

Es schaut vielleicht nicht so aus, weil ich eine ziemliche Krimskrams­sammlerin bin, aber ich wohne hier erst seit knapp zwei Jahren. Die Wohnung hat 104 Quadratmet­er und liegt im zweiten Stock eines sehr schönen Gründerzei­thauses im sechsten Bezirk in der Nähe der Mariahilfe­r Straße. Im Erdgeschoß gibt es noch eine alte, winzig kleine Portierslo­ge, die mich gedanklich immer in die Vergangenh­eit katapultie­rt. Gefunden habe ich die Wohnung übers Internet. Ich kann mich nicht mehr erinnern wo, aber sagma mal, es war im Immobilien­Standard. Das kann gut sein!

Mein erster Eindruck war: wunderschö­n, aber leider ein bisschen gar brav renoviert. Ich hab’s lieber, wenn die Wände ein bisschen abgefuckt, die Türen ein bisschen abgeschabt und die Parkettböd­en ein bisschen abgewohnt sind. Aber hier war alles perfekt. Mit Ausnahme der Küche, wo zum Glück noch die alten Zementkach­eln erhalten waren. Also blieb mir nichts anderes übrig, als die Wohnung mit viel Krimskrams vollzuräum­en, damit zumindest auf diese Weise Leben und Geschichte entsteht.

Ich wohne hier mit meiner 14jährigen Tochter Lilli, die jede zweite Woche bei mir ist, und in der Zwischenze­it haben wir uns schon voll eingelebt. Ich finde diese Wohnung einfach großartig. Auch deshalb, weil sie genug Platz für mein Krimskrams­faible bietet. Zum einen nehme ich oft Prototypen aus der Werkstatt mit nach Hause, um sie zu testen oder einfach, weil ich mich von ihnen nicht trennen kann. Zum anderen sammle ich diverses Kleinzeug auf Flohmärkte­n oder bei der Caritas: Figuren, Schalen, Vasen, Deckeldose­n, Zahnstoche­rapparatur­en und so weiter.

Ab und zu krieg ich einen Anfall, und dann verbringe ich Tage auf willhaben.at und kaufe tonnenweis­e Zeug ein, das ich dann in der Wohnung verteile, bis ich den nächsten Anfall krieg. Fast jedes Möbelstück hat seine Ge- schichte, wobei die Sechziger- und Siebzigerj­ahrestücke überwiegen. Eine alte Kredenz habe ich einmal, als es mir grad nicht gut gegangen ist, von einer lieben Freundin geschenkt bekommen – ein Megapräsen­t, über das ich mich jeden Tag aufs Neue freue.

Eines meiner Lieblingsm­öbel ist diese weiße Sitzgarnit­ur Togo von Ligne Roset aus den Siebzigern. Man sitzt extrem niedrig, aber wenn man sitzt, dann sitzt man. Neu könnte ich mir diese Garnitur niemals leisten, weil sie sündhaft teuer ist, doch diese habe ich gebraucht im Internet gefunden, weil sich ein Austauschs­tudent kurzfristi­g davon trennen musste. Früher stand sie in der österreich­ischen Botschaft im Oman, weil dessen Eltern Botschafte­r sind. Und nun steht das Ding um 500 Euro in meinem Wohnzimmer. Ein Wahnsinn, oder?

Ich fühle mich hier ziemlich angekommen, aber zwei Jahre an einem Ort sind für mich schon fast eine lange Zeit. Ich liebe Umzüge, weil jeder Umzug ein Neubeginn und ein Abenteuer ist, und schön langsam kribbelt die nächste Übersiedel­ung unter den Fingernäge­ln. Es warat wieder mal an der Zeit. Ich brauch wieder die Umzugskart­ons um mich herum!

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„Die Couch stand früher in der österreich­ischen Botschaft im Oman. Nun steht sie um 500 Euro in meinem Wohnzimmer. Ein Wahnsinn, oder?“Sandra Haischberg­er in ihrem Glück.

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