Der mysteriöse Kopfschuss auf der Jägerstraße
28-Jähriger gab Schuld am Tod eines Nebenbuhlers zu – Beweise widersprechen ihm
Wien – Das Verfahren gegen Shkelzen D. mutet an, als hätte Agatha Christie die Vorlage geliefert. Der Angeklagte hat zunächst gestanden, Igor Z. am 16. April vor dem Lokal Blanco Lounge in Wien-Brigittenau versehentlich mit einem Kopfschuss getötet zu haben. Staatsanwalt Christoph Wancata hat ihn daher mit einer Mordanklage vor ein Geschworenengericht unter Vorsitz von Georg Olschak gebracht.
Nur: Aus Sicht der Verteidiger Philipp Wolm und Werner Tomanek hätten Gutachten ergeben, dass ihr Mandant nicht der Täter sein könne – der 28-Jährige selbst sagt jetzt nur noch wenig und macht meist von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch. Nur einmal legt er sich fest: „Ich dachte, ich habe es gemacht, aber ich habe es nicht gemacht.“
Aber der Reihe nach: Fest steht, dass der 26 Jahre alte Z. auf dem Gehsteig in der Jägerstraße starb, nachdem eine Kugel in seinen Oberarm eingedrungen war, bei der Schulter austrat, die rechte Wange durchschlug und schließlich das Schädeldach zertrümmerte. Fest steht auch, dass sechs Minuten danach der Angeklagte mit dem Zeugen Emir O. bei einer Polizeiinspektion erschien und sagte: „Ich habe die Scheiße gerade gemacht auf der Jägerstraße, ich wollte es nicht.“
Für Ankläger Wancata ist die Sache klar: D. habe das Opfer aus Eifersucht getötet. Denn: D. habe eine Affäre mit einer Kellnerin gehabt und in Z. einen Nebenbuhler vermutet. Es sei zu einem Handgemenge gekommen, dabei sei der Schuss gefallen. „Sie haben zwei Fragen zu beantworten“, richtet er sich an die Laienrichter. „Erstens: Hat der Angeklagte geschossen? Und zweitens: Wenn er es gewesen ist, war es ein bewusster Schuss oder ein Unfall?“
Das Verteidigerduo kritisiert dagegen die Ermittlungen. Zeugen seien keine Bilder des Angeklagten gezeigt worden, dann habe erst der Vorsitzende ein Gutachten beim ballistischen Sachverständigen Ingo Wieser beantragt. Das Ergebnis laut Advokat Wolm: „Unser Mandant ist als Schütze auszuschließen, es fanden sich keine Schmauchspuren an Händen oder Kleidung.“
Damit nicht genug: Solche Schmauchspuren wurden gefunden – beim Zeugen Emir O., der den Angeklagten zur Polizei gefahren habe. Es könne laut Wolm auch nicht so sein, wie D. und die- ser Zeuge ursprünglich geschildert haben: dass sich der Schuss unabsichtlich durch einen Schlag gelöst habe. Im Gegenteil: Der Schütze müsse mindestens eineinhalb bis zwei Meter entfernt gestanden sein.
Tatsächlich schildern unabhängige Zeugen, vier bis fünf Männer seien auf der Straße gestanden und hätten lautstark diskutiert. Plötzlich sei ein Schuss gefallen und das Opfer ist nach hinten gekippt. Die interessante Beobachtung einer Passantin: Der Mann, der der Schütze sein müsste, sei etwa gleich groß wie das Opfer, das 184 Zentimeter maß, gewesen. Der Vorsitzende lässt den 1,97 Meter großen Angeklagten aufstehen. „Er kommt mir zu groß vor“, sagt die Zeugin, die die Angelegenheit zusammenfasst: „Es kam mir in dem Moment vor wie eine Hinrichtung.“
Der 56-jährige Emir O. ist der Einzige, der sagt, es habe ein Handgemenge vor dem Schuss gegeben und der Getroffene sei nach vorn gekippt. Er habe D., den er aus seinem Lokal als Gast kenne, die Waffe aus der Hand genommen und sie in dessen Auto gelegt. Anschließend habe er ihn zur Polizei gebracht. Er berichtet auch von einem unbekannten Dritten, der zuvor noch schlichten wollte.
Am Dienstag wird fortgesetzt.