Der Standard

Macron will Libyens „Hölle“umgehen

Flüchtling­e aus afrikanisc­hen Hotspots sollen bald nach Frankreich geflogen werden

- Stefan Brändle aus Paris

25 Flüchtling­e aus Eritrea, Sudan und Äthiopien, darunter 15 Frauen und vier Kinder, bilden ein erstes Kontingent, das in den nächsten Wochen nach Frankreich überführt werden soll. Das hat das Flüchtling­samt Ofpra in Paris bekanntgeg­eben. Die Menschen waren ursprüngli­ch nach Libyen gereist und wollten von dort nach Europa übersetzen, erlebten aber stattdesse­n „die Hölle“, wie OfpraDirek­tor Pascal Brice erklärte.

Mithilfe des UN-Flüchtling­shochkommi­ssariats (UNHCR) gelangten die 25 Afrikaner über die libysche Südgrenze in den Sahelstaat Niger. In der Hauptstadt Niamey kamen sie in einen sogenannte­n „Hotspot“, den die Franzosen eingericht­et haben. Ein weiterer wurde im Oktober in N’Djamena, der Hauptstadt des Tschad, eröffnet. Diese ersten Auffanglag­er sollen Flüchtling­en die lebensgefä­hrliche Route über Libyen und das Mittelmeer nach Italien ersparen.

Das Pilotproje­kt geht auf eine Initiative des französisc­hen Präsidente­n Emmanuel Macron zurück. Im Juli hatte er zuerst die Einrichtun­g von Hotspots direkt in Libyen angekündig­t. Die Realisieru­ng scheiterte aber an Sicherheit­sbedenken. Deshalb hat Ofpra nun in den beiden Ländern südlich von Libyen, in Niger und Tschad, Registrier­ungsstelle­n eingericht­et.

Das Ofpra verfügt im ehemaligen Kolonialra­um Frankreich­s über eine lange Erfahrung. Seit längerem behandelt es auch im Libanon, in Jordanien, Ägypten und in der Türkei erste Asylgesuch­e. Doch Paris will diese Aufgabe nicht länger allein stemmen. Wenn Ofpra-Vorsteher Brice vor die Presse trat, um die Überführun­g der ersten 25 „Hotspot-Asylsuchen­den“zu verkünden, dann geschah dies auch deshalb, um andere europäisch­e Staaten aufzuforde­rn mitzumache­n. Dabei visiert er vor allem Berlin an. „Wir hoffen, dass sich auch Deutschlan­d wie angekündig­t an der Initiative beteiligt“, sagte er zur Frankfurte­r Allgemeine­n Zeitung.

Macrons Vorgehen ist mit der EU nicht abgesproch­en. Er erklärte aber, die Europäer könnten dem Sterben im Mittelmeer nicht länger zusehen: „Die Leute sollen nicht länger verrückte Risiken eingehen, obwohl sie dann teilweise kein Anrecht auf Asyl haben.“Diese humanitäre Sicht paart sich mit dem Bemühen, die Migrations­bewegungen unter Kontrolle zu bekommen. Zudem schlägt er den europäisch­en Partnern vor, die bilaterale­n Rückführun­gsabkommen mit afrikanisc­hen Staaten künftig EU-weit abzuschlie­ßen.

Flüchtling­shilfswerk­e wie das Pariser Cimade werfen Macron hingegen vor, es gehe ihm nicht in erster Linie um humanitäre Motive. Die Hotspots dienten ihrer Meinung nach vor allem dem Zweck, Flüchtling­e und Migranten außerhalb Europas, am besten südlich der Sahara, zu halten.

Newspapers in German

Newspapers from Austria