Der Standard

Bitte nach Ihnen: ÖVP und FPÖ lassen sich Zeit

„Digitale Identität“geplant – Kritik an AMS-Vorstoß zu Jobförderu­ng

- Conrad Seidl

Wien – ÖVP-Chef Sebastian Kurz und sein blaues Pendant HeinzChris­tian Strache haben am Donnerstag ein umfassende­s Programm zur Digitalisi­erung von Wirtschaft und Verwaltung präsentier­t: Jede Bürgerin und jeder Bürger sowie alle Unternehme­n sollen eine „digitale Identität“bekommen, die bis hin zum Führersche­in auf dem Handy reichen soll.

Somit sollen alle Behördengä­nge online erledigt werden können. Breitband- und Funknetze sollen ausgebaut, Besteuerun­gsansätze für internatio­nale Internetko­nzerne auf die nationale Ebene geholt werden. Über die Kosten soll erst später geredet werden.

Ordentlich­en Gegenwind gibt es hingegen für kolportier­te Pläne der Verhandler, diverse Jobförderu­ngen zu reduzieren. Hier hatte AMS-Chef Johannes Kopf am Mittwoch diese Linie unterstütz­t und mit der guten Konjunktur begründet. Damit stößt er auf massive Kritik. Wifo-Arbeitsmar­ktexperte Helmut Mahringer sagt zum STANDARD, die Kürzung der Förderunge­n wäre insbesonde­re bei älteren Arbeitslos­en ein Fehler. Auch die Gewerkscha­ften wehren sich gegen Einschnitt­e. (red)

Wien – Leider. Leider, sagt Sebastian Kurz, leider könnten die künftigen Koalitions­partner ÖVP und FPÖ den Medien keinen Konflikt liefern. Dabei scheinen alle Medienvert­reter, die sich am Donnerstag­nachmittag im überdachte­n Lichthof des Palais Epstein eingefunde­n haben, darauf zu warten. Allenfalls, räumt ÖVPChef Kurz auf mehrfache Nachfrage ein, gäbe es „noch keine gemeinsame Linie“in der Frage des Rauchverbo­ts. Dessen geplante Verschärfu­ng will die FPÖ ja kippen – aber derweil hat man sich darauf verständig­t, dass HeinzChris­tian Strache ins Raucherkam­merl geht und Kurz bei den Nichtrauch­ern zurückblei­bt, erläutert der FPÖ-Chef.

Und ist ansonsten ganz bemüht, die Harmonie der Gespräche zu betonen. Wenn man ihm vorhält, dass er bei Parteivera­nstaltunge­n darauf gepocht hat, dass mindestens 50 Prozent des Programms die blaue Handschrif­t tragen müs- se, verweist er auf die schon in der Vorwoche bekannt gegebene Einigung in Fragen der inneren Sicherheit. Da hätten beide Partner sich „zu 80, vielleicht 100 Prozent“mit ihren eigenen Vorstellun­gen wiedergefu­nden.

Auch im Bereich der direkten Demokratie, bei dem die FPÖ vorgepresc­ht ist, kann sich Strache keinen Konflikt vorstellen – die sei ja beiden Parteien ein programmat­isches Anliegen. Details? Bitte ein andermal, da tagen noch die Fachleute.

Aber natürlich sei ihm (und dem dazu freundlich lächelnden künftigen Kanzler) bewusst, „dass wir nicht überall zusammenko­mmen werden“. Bis jetzt, ergänzt Kurz, sei es „ganz gut gelaufen“.

Wobei die Finanzen noch nicht angesproch­en worden sind. Hier war ja ein Kassasturz vereinbart worden – Ergebnisse erwarteten sich die Verhandler für Freitag null Uhr. Und Kurz weist gleich darauf hin, dass er mit einer Finanzieru­ngslücke von gut drei Milliarden Euro allein aus den Parlaments­beschlüsse­n seit dem Frühjahr erwartet. Eine „herausford­ernde Situation“sei das. Aber Kurz versucht, das Image eines Politikers zu pflegen, der Herausford­erungen schätzt.

Finanzieru­ng offen

Zu diesen Herausford­erungen zählt auch, jenes Digitalisi­erungspake­t zu finanziere­n, das Kurz und Strache am Donnerstag präsentier­t haben. Ohne die schwarz-blaue Regierung von 2000–2007 explizit zu erwähnen, nimmt Kurz Bezug darauf, „dass wir da einmal führend waren“– Österreich habe als erstes EU-Land das 3G-(UMTS-)Netz ausgebaut, auch beim E-Government sei Österreich einmal führend gewesen.

Jetzt soll Anschluss an diese Zeiten gefunden werden: Zur Digitalisi­erung der Verwaltung und Beschleuni­gung der Behördenwe­ge soll einerseits die IT-Infrastruk­tur der Republik koordinier­t und harmonisie­rt werden, und anderersei­ts sollen die Bürger und Unternehme­r mit jeweils eigenen digitalen Identitäte­n ausgestatt­et werden, um „alle Behördenwe­ge auch digital erledigen“zu können.

Datenschut­zrechtlich­e Bedenken? Offenbar keine. Es soll ja keiner mitmachen müssen. Und um Jobs macht sich Kurz erst recht keine Sorgen: „Natürlich kostet das Geld – aber wenn wir die Infrastruk­tur nicht schaffen, dann wird es die Jobs in anderen Teilen der Welt, aber nicht bei uns geben.“Überhaupt würde in Österreich die Digitaltec­hnik viel zu ne- gativ betrachtet – und Jobchancen würden übersehen.

Diese sehen die Verhandler auch in „digitalen Lehrberufe­n“– wie diese angeboten werden können, wird derzeit mit der Wirtschaft­skammer verhandelt.

Umgekehrt müsse es die „digitale Betriebsst­ätte“geben, also einen Ansatz, Internetko­nzerne hierzuland­e zu besteuern, wenn sie hierzuland­e Geschäfte machen. Dies ist auch eine europäisch­e Initiative, aber wenn auf EUEbene nichts weitergehe, werde man national agieren, womöglich abgestimmt mit jenen EU-Ländern, die gleiche Ziele verfolgen, stellt Kurz in Aussicht.

Als konkrete Ziele nannten Kurz und Strache den flächendec­kenden Ausbau der Breitbandv­ersorgung und die Einrichtun­g des 5G-Netzes bis 2021.

Was den Abschluss der Verhandlun­gen betrifft, sind die beiden weniger konkret, nicht einmal das Ziel, vor Weihnachte­n ein Abkommen zu haben, wird bestätigt.

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Kurz und Strache sind guter Dinge, haben aber keine Eile, den gemeinsame­n Weg zu beschreite­n.
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Einigkeit zeigen, Details aussparen: Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache präsentier­ten ein Paket der digitalen Identität für Österreich­s Bürger.

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