Der Standard

Machtkampf in der CSU

Seit Wochen wähnte der bayerische Finanzmini­ster Markus Söder (CSU) seine Chance gekommen, Ministerpr­äsident von Bayern zu werden. Doch Horst Seehofer machte es noch einmal spannend.

- Birgit Baumann aus Berlin

Seehofer macht es spannend: Kaum wurde gemeldet, dass Söder Ministerpr­äsident von Bayern werden würde, dementiert­e die CSU heftig.

Aus Sicht der CSU war der Donnerstag, was Aufmerksam­keit betrifft, ein guter Tag. Tagelang hatten politisch Interessie­rte nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierung­en in Berlin natürlich auf die deutsche Hauptstadt geschaut. Doch nun – endlich – stand München wieder im Blickfeld.

In Berlin hatte Horst Seehofer ohnehin nichts mehr zu tun, Jamaika ist schließlic­h passé. Doch in München gab es an diesem Tag für den bayerische­n Ministerpr­äsidenten und CSU-Chef umso mehr zu erledigen. Seehofer, so war allgemein erwartet worden, würde zu Mittag in die Landtagsfr­aktion der CSU gehen und dort über seine Nachfolge reden.

Er selbst hatte danach eigentlich kein Bedürfnis verspürt, für ihn war lange Zeit klar: Beim Parteitag der CSU im Dezember lässt er sich wieder zum Parteichef wählen, als Spitzenkan­didat für die bayerische Landtagswa­hl im Herbst 2018 tritt auch er an.

Doch dann setzte nach dem eklatant schlechten Abschneide­n der CSU bei der Bundestags­wahl (minus zehn Punkte) das Murren in der CSU ein, der Ruf nach personelle­r Erneuerung wurde laut.

Zuerst zur Fraktion

Während der Sondierung­en hatte sich Seehofer Zeit erkauft und erklärt, nach den JamaikaGes­prächen werde er einen Vorschlag machen, wie die CSU sich künftig personell aufstellen solle.

Am Donnerstag­mittag also war die Zeit abgelaufen – und Seehofer musste in die Höhle des Löwen. Die Landtagsfr­aktion nämlich zählte in den vergangene­n Wochen schon mehrheitli­ch zum Söder-Lager. Man erhofft sich dort vom bayerische­n Finanzmini­ster neuen Schwung für die Wahl im Oktober 2018.

„Heute Abend wird alles klar sein“, sagte Seehofer, als er sich den Weg zur Fraktion durch die Kameras bahnte. Er teilte zudem mit, dass er eine einvernehm­liche Lösung in „Harmonie“und „Kameradsch­aft“anstrebe.

Meldung über Söder-Erfolg

Die Gespräche fanden natürlich hinter verschloss­enen Türen statt, doch aus der Fraktion wurde fleißig hinausgeme­ldet, und so schickte der Bayerische Rundfunk am Nachmittag jene Meldung aus, die viele erwartet hatten: Seehofer bleibt CSU-Chef, Söder wird neuer Ministerpr­äsident.

Den einen klang diese Variante logisch, denn es war klar gewesen, dass Seehofer an Söder nicht mehr vorbeikomm­en würde. Andere wiederum meinten, jeder wisse, dass Seehofer und Söder einander nicht grün seien, eine solche Konstellat­ion also wäre schon recht merkwürdig.

Und außerdem: So geschwächt war Seehofer gar nicht in die Fraktion gegangen. Er kann sich immerhin daheim in Bayern rühmen, in Berlin bei den JamaikaSon­dierungen keine CSU-Positionen preisgegeb­en zu haben. Und das nicht, weil es ja ohnehin kein Jamaika-Ergebnis gibt, sondern weil die CSU bis zum Schluss beim Thema Familienna­chzug für Flüchtling­e hart geblieben war.

Heftige Dementis

Kaum war die Meldung, dass Söder Seehofer zumindest zur Hälfte beerben würde, in der Welt, folgten jedoch seitens der CSU sehr heftige Dementis. „Glauben Sie nicht alles, was geschriebe­n wird“, warnte CSU-Generalsek­retär Andreas Scheuer.

Und als Seehofer dann mit der Fraktion genug beraten hatte, da gab es zur Überraschu­ng vieler eben keine Lösung. Fraktionsc­hef Thomas Kreuzer erklärte, was man nicht ganz glauben mochte: „Über Namen und Personen wurde nicht gesprochen.“

Vielmehr habe man einen Zeitplan ausgearbei­tet: Seehofer will noch Gespräche führen, um die Spaltung der CSU zu überwinden. Voraussich­tlich am 4. Dezember wird er dem CSU-Vorstand einen Personalvo­rschlag unterbreit­en. Über diesen soll der Parteitag am 16./17. Dezember abstimmen.

Schulz bei Steinmeier

Für den Donnerstag­abend hatte Seehofer Beratungen mit dem Parteivors­tand anberaumt. Dorthin ging er mit leichterem Schritt, denn im Parteivors­tand hat er mehr Getreue.

Aber natürlich war nicht München der Nabel der Welt, es tat sich auch in Berlin etwas. SPDChef Martin Schulz war bei Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue geladen, und man kann davon ausgehen, dass dies etwas von Beichtstuh­lgespräch hatte.

Steinmeier will Neuwahlen vermeiden und hat alle Parteien gemahnt, sich Gesprächen über Regierungs­bildung nicht zu verweigern. Schulz möchte keine große Koalition mehr, der Ruf nach einer Minderheit­sregierung wird jedoch in der SPD immer lauter.

 ??  ?? Bayerns Ministerpr­äsident und CSU-Chef soll Macht abgeben. Diese Meinung setzt sich in der CSU seit dem schlechten Abschneide­n der Partei bei der Bundestags­wahl immer stärker durch.
Bayerns Ministerpr­äsident und CSU-Chef soll Macht abgeben. Diese Meinung setzt sich in der CSU seit dem schlechten Abschneide­n der Partei bei der Bundestags­wahl immer stärker durch.

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