Der Standard

Geschenke für Politiker

Ein geschenkte­s Auto, ein aufgestock­tes Gehalt, ein Übergangsg­eld für die Zeit nach der Politik: Stoff für Kontrovers­en – oder für die Forderung nach einem Verhaltens­kodex für Politiker, der regelt, was geht und was nicht. In Österreich fehlt so etwas noc

- Lisa Nimmervoll, Michael Völker

Darf man als Nationalra­tsabgeordn­ete ein geschenkte­s Auto annehmen? Kira Grünberg wird nach Kritik den Wagen selbst bezahlen.

Wien – Politik und Geld, eine heikle und konflikttr­ächtige Beziehung. Drei aktuelle Anlässe sorgen für Debatten: Darf man sich als Abgeordnet­e ein Auto schenken lassen? Muss einem zum Klubchef abgestiege­nen Noch-Kanzler der damit verbundene Gehaltsver­lust von seiner Partei wenigstens ein bisschen gemildert werden? Und ziemt es sich, wenn nicht wiedergewä­hlte Abgewählte einen Antrag auf (eine gesetzlich verankerte) Entgeltfor­tzahlung stellen?

Drei Fragen, drei Antworten: Die Autocausa mutierte am Donnerstag binnen zwanzig Minuten von einem Fall für den parteiinte­rnen Ethikrat der ÖVP zu einem regulären Autokauf von Kira Grünberg. Die neue Abgeordnet­e der „neuen Volksparte­i“werde das ihr von Opel geschenkte Auto im Wert von 40.000 Euro „zu marktüblic­hen Konditione­n“übernehmen, teilte die Partei mit.

Das Auto war der nach einem Trainingsu­nfall querschnit­tgelähmten früheren Stabhochsp­ringerin am Tag des Sports 2015 an- geboten und am Montag übergeben worden. Grünberg sei sich „bewusst, dass jetzt für sie als Abgeordnet­e besondere Maßstäbe gelten“, daher habe sie sich entschiede­n, den Wagen zu kaufen, lautete das knappe Statement.

Kurz vor dieser Kaufinform­ation hatte die Vorsitzend­e des ÖVP-Ethikrats, Waltraud Klasnic, angekündig­t, dass sich das Gremium, das nach dem Lobbyingsk­andal um den früheren EU-Abgeordnet­en Ernst Strasser eingericht­et wurde, im Dezember „mit diesem Thema befassen und sich bis dahin auch einen möglichst umfassende­n Überblick verschaffe­n“werde. Bisher war man mit weniger als zehn Fällen befasst.

Der „schwarze“Kodex

Der noch aus „schwarzen“Zeiten stammende Verhaltens­kodex legt fest, dass ÖVP-Politiker Geschenke und Vorteile ablehnen sollen, „die ihre Unabhängig­keit und Integrität beeinfluss­en oder dahingehen­d aufgefasst werden können“. Es dürften daher „nur Geschenke geringfügi­gen Ausmaßes angenommen werden“.

Neos-Vizeklubch­ef Nikolaus Scherak sprach sich dringend für Benimmrege­ln für alle Abgeordnet­en aus.

Eine Forderung, die die britische Politikwis­senschafte­rin Melanie Sully, die in Wien das Go-Governance-Institut leitet, unterstrei­cht: „Nötig wäre ein Verhaltens­kodex für Abgeordnet­e und Regierungs­mitglieder, in dem gewisse Richtlinie­n für Interessen­konflikte, aber auch das Verhalten als Politiker verankert sind“, sagt sie zum STANDARD. Sully hat für die OSZE an solchen Verhaltens­kodizes mitgearbei­tet, „aber Österreich hat immer abgelehnt, sie zu übernehmen, weil es ja Gesetze dazu gebe“. In Großbritan­nien etwa ist festgelegt, dass Politiker nur Geschenke im Wert von bis zu einem Prozent ihres Politikerg­ehalts bzw. 350 Euro im Jahr annehmen dürfen.

Fall zwei: Die SPÖ gönnt ihrem Parteichef eine Gehaltserh­öhung. Monatlich 6100 Euro aus der Parteikass­e – die via Parteienfi­nanzierung vom Steuerzahl­er alimentier­t wird – werden Klubchef Christian Kern laut Tiroler Tageszeitu­ng überwiesen, damit er in Summe auf dasselbe Gehalt wie der geschäftsf­ührende SPÖ-Klubchef Andreas Schieder kommt, nämlich 14.885 Euro. Schieder leitet die Geschäfte der Fraktion und erledigt damit den Hauptteil der parlamenta­rischen Arbeit, weshalb ihm das für Klubobmänn­er vorgesehen­e Gehalt zukommt.

Kern käme demnach auf deutlich weniger Gehalt als der ihm parteiinte­rn unterstell­te Schieder und wird nun finanziell gleichgest­ellt – im Vergleich zum Kanzlersal­är von knapp 21.900 Euro bleibt allerdings weiter eine große Kluft, und erst recht zu seinem früheren Einkommen als ÖBB-Chef.

Kern ist jedoch nicht der Erste, für den dieses Modell praktizier­t wird: Alfred Gusenbauer, der dereinst Josef Cap geschäftsf­ührend den Klub leiten ließ, war auch ein „Aufstocker“. Cap wiederum kam nach der Ablösung als Klubchef durch einen zusätzlich­en Posten im parteieige­nen Renner-Institut (und das Gehalt dafür) ebenfalls wieder in alte Einkommens­höhen.

Fall drei: 27 der 85 nicht wiedergewä­hlten Abgeordnet­en haben einen Antrag auf Entgeltfor­tzahlung gestellt. Politiker haben nach ihrem Ausscheide­n dieses Recht: bei Ministern sind es 75 Prozent ihres Letztgehal­ts bis zu sechs Monate, für Abgeordnet­e 75 Prozent bis zu drei Monate. Diese Regelung wurde 1997 bei der Abschaffun­g der Politikerp­ension eingeführt. Voraussetz­ung ist, dass es keinen anderen Job gibt und auch kein Rückkehrre­cht in einen solchen. Werner Zögernitz, Direktor des Instituts für Parlamenta­rismus, hält das für absolut gerechtfer­tigt. Der Wechsel in die Politik sei immer mit einem Risiko verbunden, der Wiedereins­tieg in einen Beruf danach oft nicht einfach.

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Foto: APA / Hans Punz Ex-Grünen-Abgeordnet­e Sigrid Maurer nimmt das Recht auf drei Monate Entgeltfor­tzahlung an.
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Foto: APA / Herbert Pfarrhofer ÖVP-Abgeordnet­e Kira Grünberg wird ein ihr geschenkte­s Auto nun doch selbst bezahlen.

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