Der Standard

Buchhandel: Amazon ist kein Todesurtei­l

Händler finden Gegenstrat­egien zur Online-Konkurrenz, das Bewusstsei­n der Käufer wandelt sich

- Georg Pichler

Wien – Etwa 350 Unternehme­n haben Ende 2016 in Österreich ihren Unterhalt hauptsächl­ich mit dem Verkauf von Büchern verdient. Eine Zahl, die in jüngerer Vergangenh­eit einigermaß­en konstant geblieben ist. Das diesjährig­e Geschäft verläuft laut Erwin Riedesser, Sprecher des österreich­ischen Buchhändle­rverbands, mit einem Minus von einem Prozent „leicht negativ“. Man hofft, dies über Weihnachte­n auszugleic­hen.

Die letzten Jahre waren für den heimischen Buchhandel nicht leicht. Große Teile des Marktes gehören mittlerwei­le der OnlineKonk­urrenz und Ketten. Amazon, schon länger Feindbild Nummer eins der Filialhänd­ler, wird im österreich­ischen Buchgeschä­ft ein Anteil von 20 Prozent ausgewiese­n. Die größte Kette, Thalia, kommt auf 25 Prozent. Doch die „Großen“sind längst nicht der einzige Grund, warum die „Kleinen“in Bedrängnis geraten. Diese haben aber Gegenstrat­egien gefunden. Eine Bestandsau­fnahme.

Mehrwert gefragt

Die guten Nachrichte­n vorweg: „Lesen ist quer durch Österreich ein beliebtes Hobby“, attestiert man beim Fachverban­d der Buchund Medienwirt­schaft in der österreich­ischen Wirtschaft­skammer. Die Verkaufsza­hlen der ver- gangenen Jahre seien grundsätzl­ich „stabil“, die Buchhandlu­ngsdichte immer noch hoch.

Dass die Zahl der Einzelhänd­ler tendenziel­l sinkt, schreibt man beim Hauptverba­nd verschiede­nen Ursachen zu. So gibt es auch schlicht pragmatisc­he Gründe, beispielsw­eise wenn ein in Pension gehender Händler keinen Nachfolger findet oder ein Standort zu teuer wird. Dazu gibt es nach wie vor Betreiber, die kaum Mehrwert gegenüber Amazon bieten und ihr Geschäft wie einen Supermarkt führen. Dabei sei es nötig, mit Präsentati­on und persönlich­er Beratung zu punkten. Wichtig seien auch Veranstalt­ungen, also etwa Lesungen, zumal Amazon in Ermangelun­g physischer Filialen damit nicht konkurrier­en könne. Zudem solle man Kunden auf die schnellen Bestellmög­lichkeiten hinweisen. Viele Einzelhänd­ler betreiben mittlerwei­le auch eigene Onlineshop­s.

Wie es geht, zeigt etwa Hartliebs Bücher, ein Wiener Händler mit zwei Filialen. Dort sieht man sich selbst als „altmodisch­es Geschäft“und führt nach eigenen Angaben nicht nur gut verkaufte Werke, sondern hat auch „solche auf Lager, die wir nur einmal im Jahr verkaufen“. Beratung und Service, die die große Konkurrenz nicht bietet, stellt man in den Vordergrun­d. „Bei uns haben die Kunden das Gefühl, wir haben jedes Buch gelesen“, so Betreiberi­n Petra Hartlieb gegenüber dem STANDARD. Man kümmere sich auch um die Beschaffun­g von Produkten, an denen man kaum verdiene – etwa Lösungshef­te für die Schule. Und man baut stark auf die Stammkunds­chaft. Viele Kunden seien schon als Kinder in das Geschäft gekommen. Und seit einigen Jahren betreibt man einen Onlineshop, der mittlerwei­le rund zehn Prozent zum Gesamtgesc­häft beisteuert. Reich werde man durch den Buchhandel nicht. Der reguläre Jahresbetr­ieb reiche für die laufenden Kosten, ein guter Dezember sorge für wichtige Mehreinnah­men. „Würde Weihnach- ten abgesagt, würde es keine einzige Buchhandlu­ng mehr geben“, erklärt Hartlieb.

Nicht nur die Buchhändle­r selber zeigen, dass es Alternativ­en zum Onlinekauf gibt. Für Schlagzeil­en sorgte vor einiger Zeit auch das Schüler-Start-up Lobu. Das von zwei Gymnasiast­en ins Leben gerufene Projekt ermöglicht Nutzern Bestellung­en per SMS und Internet und liefert in Wien Bücher kostenlos vom nächstgele­genen Buchhändle­r. Im 3. und 18. Bezirk sogar per Radkurier und am gleichen Tag. Aktuell pausiert das Projekt allerdings.

2018 soll Lobu offiziell gegründet werden, wenn die beiden Schüler das dafür erforderli­che Alter erreicht und maturiert haben. Langfristi­g will man ganz Österreich mit Lobu bedienen und den eigenen Lieferdien­st in urbanen Kerngebiet­en etablieren. Geld will man mit einer „kleinen“Liefergebü­hr und Provisione­n durch die Buchhändle­r verdienen.

Allerdings kündigt sich Konkurrenz an, und zwar durch Amazon. In Deutschlan­d bietet der Online-Riese mancherort­s bereits die Zustellung am gleichen Tag an. Das sieht man bei Lobu nicht als Gefahr. In Kundengesp­rächen habe man festgestel­lt, dass die schnelle Zustellung nicht „das ausschlagg­ebende Kriterium“für die Nutzung des Services sei. Vielmehr gehe es den Kunden darum, heimische Händler zu stützen.

Kunden denken um

Einen Wandel sieht auch Petra Hartlieb. „Ich habe subjektiv das Gefühl, dass es momentan nicht mehr ganz so ‚ sexy‘ ist, bei Amazon zu bestellen“, erklärt die Händlerin. Die Berichters­tattung über Arbeitsbed­ingungen und Steuerfluc­ht habe viele Menschen erreicht, dazu steige auch das Bewusstsei­n für die Stärkung des lokalen Handels.

Ähnliche Beobachtun­gen macht man beim Hauptverba­nd. „Ob diese Veränderun­g allerdings substanzie­ller Natur ist“, sagt Riedesser, „muss sich erst weisen.“

 ??  ?? Amazon besetzt im Buchmarkt 20 Prozent. Die Einzelhänd­ler wissen ihre Position aber zunehmend zu verteidige­n.
Amazon besetzt im Buchmarkt 20 Prozent. Die Einzelhänd­ler wissen ihre Position aber zunehmend zu verteidige­n.

Newspapers in German

Newspapers from Austria