Buchhandel: Amazon ist kein Todesurteil
Händler finden Gegenstrategien zur Online-Konkurrenz, das Bewusstsein der Käufer wandelt sich
Wien – Etwa 350 Unternehmen haben Ende 2016 in Österreich ihren Unterhalt hauptsächlich mit dem Verkauf von Büchern verdient. Eine Zahl, die in jüngerer Vergangenheit einigermaßen konstant geblieben ist. Das diesjährige Geschäft verläuft laut Erwin Riedesser, Sprecher des österreichischen Buchhändlerverbands, mit einem Minus von einem Prozent „leicht negativ“. Man hofft, dies über Weihnachten auszugleichen.
Die letzten Jahre waren für den heimischen Buchhandel nicht leicht. Große Teile des Marktes gehören mittlerweile der OnlineKonkurrenz und Ketten. Amazon, schon länger Feindbild Nummer eins der Filialhändler, wird im österreichischen Buchgeschäft ein Anteil von 20 Prozent ausgewiesen. Die größte Kette, Thalia, kommt auf 25 Prozent. Doch die „Großen“sind längst nicht der einzige Grund, warum die „Kleinen“in Bedrängnis geraten. Diese haben aber Gegenstrategien gefunden. Eine Bestandsaufnahme.
Mehrwert gefragt
Die guten Nachrichten vorweg: „Lesen ist quer durch Österreich ein beliebtes Hobby“, attestiert man beim Fachverband der Buchund Medienwirtschaft in der österreichischen Wirtschaftskammer. Die Verkaufszahlen der ver- gangenen Jahre seien grundsätzlich „stabil“, die Buchhandlungsdichte immer noch hoch.
Dass die Zahl der Einzelhändler tendenziell sinkt, schreibt man beim Hauptverband verschiedenen Ursachen zu. So gibt es auch schlicht pragmatische Gründe, beispielsweise wenn ein in Pension gehender Händler keinen Nachfolger findet oder ein Standort zu teuer wird. Dazu gibt es nach wie vor Betreiber, die kaum Mehrwert gegenüber Amazon bieten und ihr Geschäft wie einen Supermarkt führen. Dabei sei es nötig, mit Präsentation und persönlicher Beratung zu punkten. Wichtig seien auch Veranstaltungen, also etwa Lesungen, zumal Amazon in Ermangelung physischer Filialen damit nicht konkurrieren könne. Zudem solle man Kunden auf die schnellen Bestellmöglichkeiten hinweisen. Viele Einzelhändler betreiben mittlerweile auch eigene Onlineshops.
Wie es geht, zeigt etwa Hartliebs Bücher, ein Wiener Händler mit zwei Filialen. Dort sieht man sich selbst als „altmodisches Geschäft“und führt nach eigenen Angaben nicht nur gut verkaufte Werke, sondern hat auch „solche auf Lager, die wir nur einmal im Jahr verkaufen“. Beratung und Service, die die große Konkurrenz nicht bietet, stellt man in den Vordergrund. „Bei uns haben die Kunden das Gefühl, wir haben jedes Buch gelesen“, so Betreiberin Petra Hartlieb gegenüber dem STANDARD. Man kümmere sich auch um die Beschaffung von Produkten, an denen man kaum verdiene – etwa Lösungshefte für die Schule. Und man baut stark auf die Stammkundschaft. Viele Kunden seien schon als Kinder in das Geschäft gekommen. Und seit einigen Jahren betreibt man einen Onlineshop, der mittlerweile rund zehn Prozent zum Gesamtgeschäft beisteuert. Reich werde man durch den Buchhandel nicht. Der reguläre Jahresbetrieb reiche für die laufenden Kosten, ein guter Dezember sorge für wichtige Mehreinnahmen. „Würde Weihnach- ten abgesagt, würde es keine einzige Buchhandlung mehr geben“, erklärt Hartlieb.
Nicht nur die Buchhändler selber zeigen, dass es Alternativen zum Onlinekauf gibt. Für Schlagzeilen sorgte vor einiger Zeit auch das Schüler-Start-up Lobu. Das von zwei Gymnasiasten ins Leben gerufene Projekt ermöglicht Nutzern Bestellungen per SMS und Internet und liefert in Wien Bücher kostenlos vom nächstgelegenen Buchhändler. Im 3. und 18. Bezirk sogar per Radkurier und am gleichen Tag. Aktuell pausiert das Projekt allerdings.
2018 soll Lobu offiziell gegründet werden, wenn die beiden Schüler das dafür erforderliche Alter erreicht und maturiert haben. Langfristig will man ganz Österreich mit Lobu bedienen und den eigenen Lieferdienst in urbanen Kerngebieten etablieren. Geld will man mit einer „kleinen“Liefergebühr und Provisionen durch die Buchhändler verdienen.
Allerdings kündigt sich Konkurrenz an, und zwar durch Amazon. In Deutschland bietet der Online-Riese mancherorts bereits die Zustellung am gleichen Tag an. Das sieht man bei Lobu nicht als Gefahr. In Kundengesprächen habe man festgestellt, dass die schnelle Zustellung nicht „das ausschlaggebende Kriterium“für die Nutzung des Services sei. Vielmehr gehe es den Kunden darum, heimische Händler zu stützen.
Kunden denken um
Einen Wandel sieht auch Petra Hartlieb. „Ich habe subjektiv das Gefühl, dass es momentan nicht mehr ganz so ‚ sexy‘ ist, bei Amazon zu bestellen“, erklärt die Händlerin. Die Berichterstattung über Arbeitsbedingungen und Steuerflucht habe viele Menschen erreicht, dazu steige auch das Bewusstsein für die Stärkung des lokalen Handels.
Ähnliche Beobachtungen macht man beim Hauptverband. „Ob diese Veränderung allerdings substanzieller Natur ist“, sagt Riedesser, „muss sich erst weisen.“