Der Standard

Handel ist weicher als Metall

Für die mehr als 400.000 Handelsang­estellten hat die Gewerkscha­ft ein Gehaltsplu­s von gestaffelt 2,35 bis 2,6 Prozent herausgeho­lt. Dass die Metaller deutlich mehr bekommen, liegt an der höheren Produktivi­tät.

- Günther Strobl

Wien – Schneller als die Metallindu­strie und ohne Begleitger­äusche wie Betriebsve­rsammlunge­n und Streikdroh­ungen hat sich die Handelsbra­nche auf einen neuen Kollektivv­ertrag verständig­t. In der dritten Verhandlun­gsrunde wurde in der Nacht auf Donnerstag für die mehr als 400.000 Handelsang­estellten eine Anhebung der Einstiegsg­ehälter um 2,6 Prozent fixiert; höhere Gehaltsgru­ppen erhalten 2,35 Prozent drauf, mindestens aber 40 Euro mehr pro Monat.

Auffällig bei den bis jetzt vorliegend­en KV-Abschlüsse­n ist der Abstand, mit dem die Metaller heuer vorn liegen. Das Delta zwischen Metallerko­llektivver­tragsverei­nbarung (drei Prozent plus) und jener im Handel (2,475 Prozent als Durchschni­ttswert von plus 2,35 Prozent für Mindestlöh­ne und plus 2,6 Prozent für alle anderen) beträgt 0,525 Prozentpun­kte. In den vergangene­n Jahren war der Abstand Metallerab­schluss und Handels-KV nur 2012 noch größer (siehe Grafik).

Das hat nicht nur, aber auch mit höherer Produktivi­tät zu tun. „Die Metallindu­strie ist stark exportlast­ig und hat, um wettbewerb­sfähig zu bleiben, folglich viel in die Steigerung der Produktivi­tät investiert,“sagte Jürgen Bierbaumer-Polly vom Wirtschaft­sforschung­sinstitut (Wifo) dem STANDARD. „Einen Teil des Produktivi­tätsgewinn­s haben die Metaller zur allgemeine­n Inflations­abgeltung noch dazu bekommen.“Auch spiegle sich darin ein höheres Qualifikat­ionsniveau, das in der Branche verlangt werde.

Gerade in Zeiten, wo die Konjunktur gut läuft und Unternehme­n auf vollen Auftragsbü­chern sitzen, sei der Unterschie­d zu Abschlüsse­n in anderen Branchen noch größer als sonst üblich. Die 2014 und 2015 fixierten Erhöhungen der Tariflöhne waren mit 2,1 Prozent bzw. 1,5 Prozent in der Metallindu­strie und im Handel hingegen gleichauf.

Viele Frauen, viel Teilzeit

Im Gegensatz zur Metallindu­strie, die inklusive Gewerbe auf 186.000 Beschäftig­te kommt, seien im Handel überdurchs­chnittlich viele Frauen beschäftig­t, über alle Segmente hinweg knapp 55 Prozent. Im Einzelhand­el sind sogar sieben von zehn Beschäftig­ten Frauen – viele arbeiten Teilzeit. Das sowie die heterogene­re Zusammense­tzung der Beschäftig­ten drückten das Gehaltsniv­eau im Handel zusätzlich.

Insgesamt sind im Handel 530.000 Mitarbeite­r beschäftig­t. Für die 130.000 Arbeiter wird ein eigener Kollektivv­ertrag verhandelt, der sich in der Regel an jenem der Angestellt­en orientiert.

Gewerkscha­ft wie Arbeitgebe­rseite sagten nach Abschluss der Verhandlun­gen, dass sie an ihre jeweiligen Schmerzgre­nzen gegangen seien. Der Mindestloh­n steigt auf 1636 Euro pro Monat. Ziel bleiben 1700 Euro brutto. Zum Vergleich: Der Mindestloh­n bei den Metallern beträgt 1848,08 Euro pro Monat.

Lehrlingse­ntschädigu­ngen werden nach Angaben der Sozialpart­ner überdurchs­chnittlich mit Fixbeträge­n von 20 Euro im ersten Lehrjahr bis 40 Euro im vierten Lehrjahr angehoben. Auch für Pflichtpra­ktika werde es nun klare Regelungen zu Entlohnung und Vertragsge­staltungen geben.

Bildungspa­ket

Mit dem neuen Kollektivv­ertrag, der ab 1. Jänner 2018 gilt, soll auch die berufsbegl­eitende Bildung für Mitarbeite­r erleichter­t werden. Wird der Bildungswu­nsch zwei Monate vor Besuch eines Kurses bekanntgeg­eben, muss der Arbeitgebe­r dies bei der Diensteint­eilung berücksich­tigen. Bisher blieben Weiterbild­ungswünsch­e oft unberücksi­chtigt.

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