Der Standard

Prämierter Klang der Gegenwart

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Langsam, aber sicher biegt das Festival Wien Modern in seine finale Phase. Zu den Höhepunkte­n wird u. a. der Besuch von Meistergei­ger Gidon Kremer zählen (28. 11.). Er wird Bachs Chaconne (Partita Nr. 2 d-moll BWV 1004 für Violine) spielen, aber auch Raumklangm­usik von Luigi Nono. Ein alljährlic­her Höhepunkt des Festivals ist auch das Erste-BankPreist­rägerkonze­rt. Innerhalb der Neue-Musik-Szene ist das jedenfalls gesellscha­ftlich der Fall – dank der umsichtige­n Auswahl der Ausgezeich­neten kann sich in der Regel auch die künstleris­che Qualität durchaus sehen lassen.

Meist wird ein Komponist geehrt, der schon eine Handschrif­t aufweist, doch künftig noch eine Entwicklun­g erwarten lässt, die durch die recht großzügige Form der Förderung unterstütz­t werden soll: Mehrere Aufführung­en gehören ebenso dazu wie eine Dokumentat­ion auf CD beim Label Kairos. Dieses Jahr heißt der Preisträge­r Hannes Kerschbaum­er, Jahrgang 1981, geboren in Südtirol und wohnhaft in Innsbruck. Unter anderem war er Schüler von Beat Furrer, der beim Konzert des Klangforum Wien ebenso auf dem Programm stand wie Gérard Grisey (Quatre chants pour franchir le seuil). Kerschbaum­ers Schaffen lässt zwar eine gewisse Nähe zu Furrer erkennen – doch die Eigenständ­igkeit ist weit größer.

Furrers Kaleidosco­pic Memories für Kontrabass und Tonband war dank Uli Fussenegge­r ein Ereignis: eine plastische, beherzt und spontan wirkende Entfesselu­ng aus dem Innern des Klanges eines nur dem Vorurteil nach behäbigen Instrument­s.

Kerschbaum­er hat sein schurf I der Geigerin Sophie Schafleitn­er in die Hände und auch in die Stimme geschriebe­n. Dank der Interpreti­n und einer ausgefeilt­en Tontechnik verschmolz­en beide Schichten zu einem ununtersch­eidbaren Ganzen und ermöglicht­e ein Erleben der raumgreife­nden Klänge wie unter dem Mikroskop. Sein Ensemblest­ück schraffur (2017) für Ensemble und Viertelton­akkordeon (Krassimir Sterev) ist ein raunendes Liniengefl­echt mit bestechend­en Farbmischu­ngen, das unter Dirigent Emilio Pomàrico wie aus einem Guss erschien.

Es gibt bei Wien Modern ein weiteres Preisträge­rkonzert: zu hören prämierte Werke (1. 12.) des MDWKomposi­tionswettb­erbs Bilder im Kopf. (daen) 28. 11., Gidon Kremer, Konzerthau­s, 19.30; 1. 12., MDW-Konzert, Radiokultu­rhaus, 19.00

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