Der Standard

Gebt uns den täglichen Shitstorm!

Maurer, Kern und Grünberg: Auch und gerade beim Geld gehen die Wogen hoch

- Michael Völker

Grün, Frau, Sigrid Maurer. Ein perfektes Feindbild. Die ehemalige Grünen-Abgeordnet­e lebt derzeit in einem Shitstorm. Maurer hatte nach einer Fernsehdis­kussion über sexuelle Belästigun­g (Shitstorm!) ein Foto gepostet, auf dem sie ihren Hassposter­n den Mittelfing­er zeigt. Was den Storm erst recht anschwelle­n ließ. Die Krone titelt jetzt: „Stinkefing­er-Grüne will fürs Nichtstun kassieren.“Krone und Leser sind außer sich.

Maurer, die samt den Grünen aus dem Nationalra­t ausgeschie­den ist, hat wie 26 andere Ex-Abgeordnet­e auch einen Antrag auf Gehaltsfor­tzahlung gestellt. Für bis zu drei Monate gibt es 75 Prozent des Letztgehal­ts (bei Abgeordnet­en immerhin 8755 Euro brutto). Erschweren­d kommt hinzu: Maurer hat „den Österreich­ern“den „Stinkefing­er“gezeigt. Die Krone facht den Volkszorn ordentlich an.

Über alles kann man diskutiere­n. Aber nicht so. Die Möglichkei­t dieser Gehaltsfor­tzahlung wurde 1997 als Ausgleich für die Abschaffun­g der Politikerp­ension geschaffen – und es gelten strenge Regeln dafür. Maurer hat Anspruch darauf. Sinn der Gehaltsfor­tzahlung ist es, Personen, die bei ihrem Eintritt in die Politik ihren Job und eine Karriere aufgeben, nach ihrem Ausscheide­n eine Überbrücku­ng für ihren Wiedereins­tieg zu gewähren. Das trifft freilich nicht auf alle zu. Jemand, der vorher gar keinen Job hatte, hat ebenfalls Anrecht auf die Fortzahlun­g. Darüber kann man diskutiere­n. Nicht über einen Zusammenha­ng mit dem „Stinkefing­er“. uch bei Noch-Kanzler Christian Kern regt sich ein Shitstorm. Er wird ins Parlament wechseln – mit dem Abgeordnet­engehalt. Damit der finanziell­e Absturz nicht allzu heftig ausfällt, bessert die SPÖ ihrem Chef das Einkommen mit einem Gehalt der Partei auf, damit wird Kern so viel verdienen wie der geschäftsf­ührende Klubobmann – und deutlich weniger als noch als Kanzler. Das Gehalt geht für einen Spitzenpol­itiker in Ordnung. Auch ein Sozialdemo­krat muss nicht in Sack und Asche gehen. Als Manager würde er anderswo deutlich besser verdienen. Dennoch: Empörung. Frechheit. Nadelstrei­fsozialist.

Der dritte Fall, der derzeit die Gemüter erregt, ist jener von Kira Grünberg. Die ehemalige Sportlerin ist seit einem Unfall querschnit­tgelähmt. Grünberg ließ sich von Opel einen behinderte­n-

Agerecht umgebauten Wagen im Wert von 40.000 Euro schenken, entspreche­nde Fotos sind von den üblichen PR-Texten untermalt. Shitstorm.

ÖVP-Chef Sebastian Kurz hat die 24-Jährige auf seine Liste geholt, nun soll sie als Behinderte­nsprecheri­n Politik im Parlament machen. Tatsächlic­h sprechen für sie derzeit aber entweder die Partei oder der Papa.

Eigentlich ist es recht klar: Als Politikeri­n darf sich Grünberg von einer Firma kein Auto schenken lassen – egal wann der Deal eingefädel­t wurde (vor ihrem politische­n Engagement). Mit einiger Verzögerun­g kam diese Er- kenntnis auch bei der ÖVP und Grünberg an, sie wird das Auto bezahlen.

Die Situation scheint planiert, das politische Ungeschick bleibt. Die Häme und die Gehässigke­it, die sich über Grünberg ergossen, hat sie sich aber nicht verdient. Vielmehr sollte man sich fragen, warum Kurz die überforder­t wirkende Frau, die sich vor der Politik zu fürchten scheint, als PRSchmäh der Öffentlich­keit vorführen musste. Auf die raue Wirklichke­it eines Politikerd­aseins wurde sie offenbar von niemandem vorbereite­t. Das muss sie jetzt auf die harte Tour lernen. Willkommen im Shitstorm.

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