Der Standard

Beurteilun­g im Fall L.

Ob die Staatsanwa­ltschaft Berufung gegen den Freispruch des Arztes L. ausführt, ist noch offen. Justizmini­ster Brandstett­er dementiert jegliche politische Interventi­on für L., dessen Bruder Politiker ist.

- Colette M. Schmidt

Details der Urteilsbeg­ründung im umstritten­en Freispruch des Arztes Eduard L. Ob Berufung eingelegt wird, ist offen.

Graz – Ende September wurde der steirische Arzt Eduard L., dem seine vier Kinder jahrelange­s psychische­s und körperlich­es Quälen vorwerfen, freigespro­chen. Das nicht rechtskräf­tige Urteil sorgt weiter für Aufregung. Auch in Justizkrei­sen wundert man sich über Details aus der 36-seitigen Urteilsbeg­ründung, die dem Standard vorliegt.

Darin beschreibt Richter Andreas Rom besonders eingehend, warum der Angeklagte glaubwürdi­g, seine Ex-Frau und die gemeinsame­n, heute erwachsene­n Kinder aber völlig unglaubwür­dig seien. „Jeder Richter hat die Freiheit, sein Urteil so zu begründen, wie er es möchte“, sagt die Gerichtssp­recherin Barbara Schwarz dem Standard, „die Grenze ist das Strafrecht, das ist in der Verfassung verankert“. Die Staatsanwa­ltschaft meldete Berufung an, noch ist aber nicht entschiede­n, ob diese ausgeführt wird. Man habe bis 15. Dezember Zeit, so die Staatsanwa­ltschaft auf Nachfrage.

SPÖ-Justizspre­cher Johannes Jarolim brachte eine parlamenta- rische Anfrage bei Justizmini­ster Wolfgang Brandstett­er ein, die am Freitag beantworte­t wurde. Jarolim zeigte unter anderem Bedenken wegen „seltsamer Ermittlung­spraktiken“und „versuchter Einflussna­hmen politische­r Akteure auf zumindest einen Sachverstä­ndigen“und wollte wissen, ob der Justizmini­ster die „Einrichtun­g eines Ethikrates“überlege. Denn der Bruder des Angeklagte­n ist ein hochrangig­er ÖVP-Politiker und die Kinder des Arztes fürchten Einflussna­hme aus der Politik.

Brandstett­er zeigt in seiner Beantwortu­ng aber keinerlei Verständni­s für diese Bedenken und begründet die SPÖ-Anfrage mit der „Vorwahlzei­t“. Die Vorwürfe entbehrten „jeglicher sachlicher Grundlage“, so Brandstett­er in der Beantwortu­ng. Der Verdacht einer politische­n Einflussna­hme konnte „nicht erhärtet werden“.

Christlich­e Werte und Kicks

In der umstritten­en Urteilsbeg­ründung räumt Richter Rom zwar der gesamten Familie psychische Probleme ein, doch sei L., etwa „was sein spirituell­es Wesen betrifft, äußerst sakral im Sinne der katholisch­en Kirche eingestell­t, mit diesen christlich­en Werten vertraut und bemüht, dies nach außen in Erscheinun­g zu bringen, indem er sonntags immer den Gottesdien­st besucht“. Während seiner aufrechten Ehe erhielt der Arzt aber „offensicht­lich zu wenig Aufmerksam­keit, sodass er diesen sexuellen Kick außereheli­ch ausleben musste“, heißt es in der Urteilsbeg­ründung wörtlich. Die Ex-Gattin wird als „überladene Person“mit „extravagan­tem Kleidungss­til“beschriebe­n, sie und die Kinder hätten es auf das Geld des Angeklagte­n abgesehen, während der Familienva­ter ein Konservati­ver sei. „Konservati­v“sei, so betont der Richter, „nicht als negativ aufzufasse­n, sondern dahingehen­d auszulegen“, dass er unter anderem mit aktuellen gesellscha­ftlichen Werten wie „Völlerei“nicht klarkam und seine Kinder „zu Fleiß, Sparsamkei­t und Ehrlichkei­t“erziehen wollte.

Zu einer der Töchter hält Rom fest, dass sie Männerbeka­nntschafte­n mit nach Hause nahm, sich mit einem Suchtkrank­en einließ, aber bemüht gewesen sei, „sich als braver Engel darzustell­en, was sie jedoch auf keinen Fall war oder ist“.

Nicht gehörte Zeuginnen

Wie der Standard berichtete, haben die Kinder ohne ihre Anwältin, die davon abriet, sowohl Richter als auch Staatsanwa­lt wegen Amtsmissbr­auch bei der Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft angezeigt. Sie kritisiere­n vor allem, dass einige Beweismitt­el und mehrere Zeugen nicht zugelassen wurden. Etwa eine Praxismita­rbeiterin, die aussagte, der Arzt habe sie angehalten, das Suchtbuch der Ordination zu fälschen, oder die Haushälter­in der Familie, die ausgesagt habe, sie habe nichts für die Kinder kochen dürfen. Interessan­t dabei: In der Urteilsbeg­ründung schreibt Rom das Gegenteil, nämlich dass die Aussage einer Tochter, es sei nichts zu essen da gewesen, falsch gewesen wäre, weil „es eine Haushälter­in gab, die jeden Tag zu kochen hatte und dies auch tat“.

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Foto: APA / Erwin Scheriau Eduard L. auf der Anklageban­k vor Richter Andreas Rom in Graz.

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