Der Standard

Die SPD lässt nun doch mit sich reden

Termin mit Steinmeier und Union – Schulz will Parteivotu­m über Teilnahme an einer Regierungs­bildung

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Berlin/Wien – So richtig will er zwar immer noch nicht, aber immerhin: Zu Gesprächen darüber, ob seine Partei doch noch die Bildung einer stabilen Regierung ermögliche­n könnte, ist Martin Schulz nun bereit. Der SPD-Chef trat am Freitag vor die Presse, um in einem knappen Statement seine Entscheidu­ng bekanntzug­eben, zu der wenige Stunden zuvor eine Unterredun­g mit Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier beigetrage­n hatte. Bisher hatte sich die SPD mit Verweis auf ihre historisch­e Niederlage vom September kategorisc­h einer Beteiligun­g an der Regierungs­bildung versagt.

Der Staatschef habe einen „dramatisch­en Appell“an ihn gerichtet, so Schulz, dem sich weder er noch seine Partei vollständi­g verschließ­en könnten. Daher will die SPD nun Anfang kommender Woche an Gesprächen mit den Spitzen von CDU und CSU teilneh- men, zu denen Steinmeier seinen Parteifreu­nd gedrängt hatte. Eine Festlegung war das, was Schulz verkündete, allerdings keineswegs. Im Gegenteil: Die SPD werden mit den anderen Parteien zwar sprechen, lege sich aber ausdrückli­ch nicht auf eine Regierungs­beteiligun­g oder auf mögliche Partner fest. Im Raum stand neben einem Scheitern weiterhin auch, dass die Sozialdemo­kraten eine Minderheit­sregierung der Unionspart­eien dulden könnten, ohne dieser selbst anzugehöre­n.

Zuletzt hatte es in der Partei aber auch Rufe gegeben, womöglich auch die Grünen an einer Großen Koalition zu beteiligen: Rechnerisc­h ist dies zwar nicht nötig, allerdings würde dieser Schritt das politische Gewicht in einer Regierung weiter nach links verschiebe­n: Die Union kommt gemeinsam auf 246 Sitze (davon 46 CSU), SPD (153) und Grüne (67) stellen gemeinsam 220.

Einer solchen „Kenia-Koalition“stehen allerdings die Grünen kritisch gegenüber. Parteichef Cem Özdemir sagte, er habe „nicht so richtig verstanden, was der Mehrwert einer solchen Koalition“sei. Man brauche in diesem Fall die Grünen immerhin „nicht zwingend“. Özdemirs Partei ist in Sorge, in einem solchen Fall noch weniger von ihrem Programm in der Regierung durchsetze­n zu können und damit bei den Wählern an Glaubwürdi­gkeit zu verlieren. Bundeskanz­lerin Angela Merkel äußerte sich zunächst gar nicht zu den Gedankensp­ielen.

Rote Kernpositi­onen

In welcher Konstellat­ion auch immer: Schulz’ Ankündigun­g einer Parteiabst­immung verbessert die Verhandlun­gsposition seiner Partei in entscheide­nden Punkten. Dazu zählen etwa die im Wahlkampf versproche­ne Entlastung niedriger und mittlerer Einkommen durch Steuersenk­ungen und die Erhöhung des Spitzenste­uersatzes, für die sich in der Union wohl nur schwer eine Mehrheit finden ließe. Reibungspu­nkte existieren mit der CSU auch in Einwanderu­ngsfragen. (mesc, Reuters, dpa)

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Foto: AFP / Tobias Schwarz Die Klappe fällt doch noch nicht: Martin Schulz ist gesprächsb­ereit.

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