Der Standard

Urteil in Streit um Abtreibung

Ärztin wurden wegen umstritten­en Paragrafen verurteilt

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Gießen/Wien – Rund 400 Menschen versammelt­en sich am Freitag vor dem Amtsgerich­t im deutschen Gießen. Sie standen allesamt auf der Seite der angeklagte­n Ärztin Kristina Hänel. Der 61-Jährigen wurde Werbung für einen Schwangers­chaftsabbr­uch zur Last gelegt, dies soll auf ihrer Homepage erfolgt sein. Darauf stehen bis zu zwei Jahre Haft oder eine Geldstrafe. In Gießen lautet das Urteil: 6000 Euro Geldbuße. „Der Gesetzgebe­r möchte nicht, dass über den Schwangers­chaftsabbr­uch in der Öffentlich­keit diskutiert wird, als sei es eine normale Sache“, begründet die Richterin das Urteil.

Hinter alldem steckt Paragraf 219a des Strafgeset­zbuches. Dieser verbietet das Anbieten, Ankündigen oder Anpreisen von Schwangers­chaftsabbr­üchen aus einem finanziell­en Vorteil heraus. Laut Staatsanwa­ltschaft soll Hänel auf ihrer Homepage nicht nur über Schwangers­chaftsabbr­üche informiert, sondern auch angegeben haben, diese gegen entspreche­nde Kosten durchzufüh­ren. Die Verteidigu­ng vertrat vergeblich den Standpunkt, dass es sich um reine Informatio­n handle.

In einer Online-Petition, die Stand Freitagnac­hmittag von rund 120.000 Menschen unterzeich­net wurde, bezeichnet Hänel Paragraf 129a als veraltet und überflüssi­g. Dieser sei demnach 1933 geschaffen worden, um unter anderem jüdische Ärzte zu kriminalis­ieren.

Vor Gericht meinte Hänels Anwältin, dass dieser Paragraf nicht zur Gesetzesre­form 1995 passe, wonach Schwangers­chaftsabbr­üche verboten, aber unter bestimmten Bedingunge­n straffrei seien. Die Richterin stellte aber zum Paragrafen trocken fest: „Er existiert“.

Abtreibung­sgegner zeigen immer wieder mit Verweis auf Paragraf 219a Ärzte an. Bislang wurde aber kaum Anklage erhoben. Auch gegen Hänel gab es bereits ähnliche Vorwürfe. Die Verfahren wurden eingestell­t. Diesmal kam es zur Anklage, so die Staatsanwa­ltschaft, weil Hänel wegen der früheren Verfahren über die Auslegung des Tatbestand­s informiert gewesen sei.

Hänels Anwältin kündigte Berufung an. Die Ärztin selbst, die am Freitag nicht mit Medienvert­retern sprechen wollte, sagte schon früher, notfalls bis zur letzten Instanz zu kämpfen. In der Politik werden unterdesse­n Stimmen von SPD, Grünen und Linken laut, Paragraf 129a abzuschaff­en. Die CDU hält das Werbeverbo­t grundsätzl­ich für sinnvoll. (ksh)

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Foto: dpa Die Ärztin Kristina Hänel im Gerichtssa­al in Gießen.

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