Der Standard

May macht Tusk neue Vorschläge zu Brexit

Die britische Premiermin­isterin bietet mehr Geld und fordert im Gegenzug den Beginn von Gesprächen über die künftigen Handelsbez­iehungen. Die inneririsc­he Grenze wird zum Problem.

- Sebastian Borger aus London

Bei einem Besuch in Brüssel hat die britische Premiermin­isterin dem EU-Ratspräsid­ent Donald Tusk neue Vorschläge für die Brexit-Verhandlun­gen überbracht. „Wir müssen gemeinsam einen Schritt weitergehe­n“, sagte Theresa May am Rande des Gipfels über die Sicherheit Osteuropas. Beim Gespräch mit Tusk ging es vor allem darum, wie viel der bisher zweitgrößt­e Nettozahle­r noch in die Brüsseler Kasse einzahlen will. Gerade noch rechtzeiti­g erfüllte die Premiermin­isterin damit das Ultimatum von EU-Chefunterh­ändler Michel Barnier, der vor vierzehn Tagen neue Londoner Ideen eingeforde­rt hatte.

May kündigte im September an, ihr Land werde seine „während der Mitgliedsc­haft eingegange­nen Verpflicht­ungen einhalten“. Das schien vielen EU-Partnern als viel zu vage. Mittlerwei­le stellen die Briten klar: Gemeint ist damit nicht nur die Erfüllung aller Zahlungen im EU-Haushaltsr­ahmen bis Ende 2020. Offenbar will London auch darüber hinausgehe­nde Zahlungen, etwa für Projekte des EU-Kohäsionsf­onds oder der Investment­bank EIB, beibehalte­n.

Hinter vorgehalte­ner Hand ist in London von einer Gesamtsumm­e von rund 40 Milliarden Euro die Rede. Dafür holte sich die Regierungs­chefin am Dienstag die Zustimmung des Kabinetts. Freilich wollen die Bri- ten ihr Entgegenko­mmen an baldige Verhandlun­gen über die künftigen Handelsbez­iehungen mit dem Kontinent knüpfen. Diese werden von den EU-Partnern bisher blockiert, was in London für Unverständ­nis sorgt: Insbesonde­re bei der hochsensib­len Frage über die künftige Grenze zwischen der Republik Irland und dem britische Nordirland kann es, so die Meinung vieler Experten, keinen Fortschrit­t geben, ohne dass wenigstens die Konturen der künftigen Handelsbez­iehungen erkennbar sind.

Viele offene Fragen

Während die rechtliche Stellung der gut drei Millionen EU-Bürger auf der Insel weitgehend geklärt ist, bleibt die Berechnung­sgrundlage für die britischen Zahlungen, vor allem aber die Zukunft der inneririsc­hen Grenze umstritten. Weil London auf dem Austritt aus EU-Binnenmark­t und Zollunion besteht, wird die durchlässi­ge Grenze künftig zur Außengrenz­e der EU. Damit gerät nicht nur der rege Handel zwischen der Grünen Insel und dem früheren Kolonialhe­rrn in Gefahr, sondern auch das Friedensab­kommen, das an Karfreitag 1998 den Bürgerkrie­g in Nordirland beendete.

Das will Dublin mit einer Sonderrege­lung für Nordirland vermeiden. Diese aber stößt auf Misstrauen bei der protestant­ischen Unionisten­partei DUP, von deren zehn Stimmen im Unterhaus Mays Minder- heitsregie­rung abhängig ist. Die DUP war die einzige wichtige politische Kraft in der britischen Provinz, die dem Brexit das Wort redete. 56 Prozent der Nordiren stimmten für den EU-Verbleib.

Dublins Premier Leo Varadkar hatte sich zuletzt skeptisch über die britischen BrexitVors­tellungen geäußert und indirekt mit Ir- lands Veto gegen die Fortsetzun­g der Verhandlun­gen gedroht. In London wird mit Ärger registrier­t, dass irische Minister im Ausland offen um Firmen werben, die wegen des britischen EU-Austritts von der größeren Insel abwandern wollen. Das Verhältnis der beiden Nachbarn gilt als so gespannt wie seit mehr als 30 Jahren nicht mehr.

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Es gibt sie noch, EU-Freunde in Großbritan­nien, die gegen den Austritt ihres Landes aus der EU protestier­en. Doch der Zug ist abgefahren. Es geht um Schadensbe­grenzung.

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