Hautnahe Funktion
Das Vorarlberger Sporttextillabel Skinfit wird heuer 20 Jahre alt. Im internationalen Vergleich ein Zwerg, ist die Marke der bekannteste Name in einer Nische, in der auch andere österreichische Labels sehr gut unterwegs sind.
– Heute ist es anders: Heute muss man „Funktionstextilien“nicht mehr erklären. Sportlern sowieso nicht. Aber auch denen nicht, die nur den Hund rausbringen: Was genau Fasern und Membrane, die beim Gassigehen, Bergsteigen, Radfahren oder Laufen warm und trocken halten, gleichzeitig aber Feuchtigkeit – also Schweiß – vom Körper ableiten, tun, weiß dennoch kaum jemand. Funktionstextilien funktionieren. Und aus.
Vor 20 Jahren war das nicht so. Weil Werner Battisti das nicht gut fand, setzte sich der 34-Jährige hin und ersann Kleidung, die ihn, den Triathleten, Bergsteiger und Skitourengeher, dort warm und trocken hielten, wo es zählt: am Körper. An der Haut. Weil sich aber keine Sportartikelkette für die beiden Unterleiberln und die Unterhose aus der Garagenmanufaktur interessierte, gründete Battisti ein Label: Skinfit. Dort behielt er von der Entwicklung über die Produktion bis zum Vertrieb und Verkauf alle Fäden in der Hand. Der etablierte Handel schmunzelte mitleidig.
Heute schmunzelt niemand: Skinfit verkauft jährlich 500.000 Artikel und hat über 230 Posten im Sortiment – Triathlon-Einteiler, Skianoraks, Laufsocken etc. 60 Menschen arbeiten in der Zentrale in Koblach, rund 150 Mitarbeiter an 36 Standorten in sieben Ländern. Das Umsatzziel von 20,6 Millionen Euro dürfte heuer locker erreicht werden: Das wäre ein Umsatzwachstum von 8,4 Prozent.
Sicher: Zwischen Megalabels wie Nike, Adidas oder Asics ist Skinfit nicht einmal sichtbar. Doch dort, wo der Triathlet immer hinwollte, ist Skinfit eine Instanz. In Österreich und Deutschland sowie Teilen Italiens, Frankreichs und der Schweiz genießt die Marke Kultstatus.
Auch weil Battisti sein MissionStatement unverändert predigt: „Hochwertige Funktionsbekleidung von Sportlern für Sportler“. Mit einem sehr spezifischen Nachhaltigkeitsbegriff – auch wenn der geradezu umsatzgefährdend unzeitgemäß klingt: Statt jede Saison und für jede Sportart separat – selbstverständlich „gegendert“– neue Kollektionen auf den Markt zu werfen, übt man sich in Schnittreduktion, Farbminimalismus und Bling-Bling-Verweigerung. „Multisport“lautet das zentrale Vokabel. Hochpreisigkeit wird mit Langlebigkeit erklärt.
Hinzu kommt, dass die Vorarlberger bis heute an jenem Vertriebskonzept festhalten, das man vor 20 Jahren eher aus der Not wählte: Verkauft wird ausschließlich in 36 Brand-Shops (26 Franchise-Partner, zehn im Firmenbesitz) und online: Eine der Horrorvorstellungen von Battisti ist es, seine Ware zwischen Billigst-Outfits im Ramscheck zu entdecken.
All das schafft Image. Und Image ist (fast) alles in dieser Szene. Da unterscheidet sich der Vorarlberger Spezialist nicht von jener Handvoll anderer heimischer Sportbekleidungsmarken, die ebenfalls mit dem Motto „Klasse statt Masse“reüssieren: Sich mit den globalen Riesen anzulegen wäre sinnlos. Also konzentrieren sich Labels wie Jolsport (Bad Häring bei Kufstein), Cocoon (Wildon nahe Leibnitz), Kejano (Raaba-Grambach bei Graz) und – mit Einschränkungen was etwa den ausschließlichen Eigenvertrieb angeht – auch Löffler (Ried im Innkreis) darauf, sich als PremiumBrands mit maximaler Glaubwürdigkeit zu positionieren.
Denn die Teile „performen“ausnahmslos, setzt man sie richtig ein. Wird im Kettenladen etwa bedenkenlos eine hübsche, „folierte“Lauf- oder Regenjacke als „ideal für jede Jahreszeit“angepriesen, fragen die Verkäufer der Premium-Nischenbrands nach – und raten bisweilen vom Kauf ab: Dass Funktionsmembrane bestimmte Temperaturunterschiede zwischen innen und außen brauchen, um zu funktionieren, wissen viele Kettenverkäufer nicht einmal.
Doch wer Kunden auf Augenhöhe gegenübertreten will, muss kundig sein. Nicht nur beim Service, sondern auch beim Reparatur-, Mängel- und Beschwerdemanagement: Schon die Anmutung, es sei dem Label egal, was nach dem Kauf geschieht, macht Geiz wieder geil. Sinken die Ansprüche, kann es ja auch Billigware aus Fernost-Kinderarbeit sein. Auch das gehört zum Mission-State- ment der Nische: Das betonen kontrollierter, regionaler – im Idealfall österreichischer oder zumindest möglichst europäischer – Produktionsabläufe und Fertigungsprozesse. Und der Hinweis auf ethische und ökologische Standards. Freilich: Funktionsfasern sind aufwendig verarbeitete Hightechmaterialien, und die wachsen selten im Biogarten. Auch beim – weitestgehenden – Verzicht auf Fernost-Fertigung wird meist irgendetwas doch in Billiglohnländern geschneidert oder von dort importiert. Obwohl die Identifikation der Kunden mit den Werten der Marken hier zu Transparenz und oft zu Best-Practice-Modellen zwingt: Der Kultanspruch ist ganzheitlich.
Als größter der (im globalen Vergleich) Zwerge in der AustroHighendnische stößt Battisti mittlerweile an eine Grenze – zumindest in Vorarlberg. Dort ist Skinfit in Fußgängerzonen, Cafés, Kinos und Malls so omnipräsent wie Nike in New York. Als Geheimtipp geht man so nicht mehr ganz durch.
Doch genau das wollen Stammkunden: Als Battisti vor 20 Jahren auf zwei Leiberln und eine Unterhose Skinfit schrieb, war das eine Nebenfunktion der Funktionswäsche. Auch das ist heute anders.