Der Standard

„Investment­s entscheide ich nach Bauchgefüh­l“

Nach dem Millionenv­erkauf seiner Firma wurde Michael Altrichter zum Investor. Er spricht über unternehme­rische Zombies, Neid in der Gesellscha­ft und einen Hindernisp­arcours.

- INTERVIEW: Andreas Danzer

STANDARD: Man kennt Sie als Investor bei der Start-up-Sendung „2 Minuten 2 Millionen“. Wie kommt ein bekannter Business-Angel zu „Ninja Warrior Austria“, wo ein schwierige­r Hindernisp­arcours zu bewältigen ist? Altrichter: Ausdauersp­ort war nie meine Sache, deshalb ist Ninja Warrior wie auf mich zugeschnit­ten. Es geht um Geschickli­chkeit, Schnellkra­ft und Körperspan­nung. Während meiner Studentenz­eit war ich Turner, das hilft. Zeit zum Trainieren hatte ich kaum, trotzdem bin ich mit dem Ergebnis zufrieden, auch wenn ich gerne bis zum Buzzer gekommen wäre. Von 500 Angemeldet­en habe ich es in die Top 100 geschafft.

STANDARD: Ist die Gründung eines Start-ups mit einem Hindernisl­auf zu vergleiche­n? Altrichter: Durchaus. Hier ist Ausdauer eine der Grundvorau­ssetzungen. Mit der Paysafecar­d standen wir mehrmals sehr kurz vor dem Aus. Ohne Durchhalte­vermögen hätten wir den richtigen Markt wohl nicht gefunden.

STANDARD: Welcher war das? Altrichter: Der E-Gaming-Markt.

STANDARD: Wie hat Ihre Unternehme­rzeit begonnen? Altrichter: Mit drei Freunden habe ich im Jahr 2000 die Paysafecar­d aus der Taufe gehoben. Wir hatten das Glück, einen Monat vor dem Platzen der Dotcom-Blase Investment­s von Willibald Dörflinger von AT&S und der Androsch Gruppe zu bekommen. Wir haben einen Hurra-Start hingelegt und geglaubt, wir erobern jetzt sofort die Welt.

STANDARD: Das war nicht so? Altrichter: Anfangs hat es sich zwar so angefühlt, aber nein. Im Zuge unserer enormen Wachstumse­uphorie haben wir das Geld mit vollen Händen zum Fenster rausgeworf­en. Schlussend­lich waren wir fast pleite. Es war ein harter Weg, bis wir 2012 an Skrill verkauft haben.

STANDARD: Sie haben in der Vergangenh­eit immer wieder von einer unternehme­rfeindlich­en Kultur in Österreich gesprochen. Wie sehen Sie das heute? Altrichter: Wer sich selbststän­dig macht, wird immer noch schief angeschaut. Es geht los mit dem Tenor „Das schaffst du sowieso nicht“. Schafft man es dann wirklich nicht, hat man es dir ja ohnehin gesagt. Hat man aber doch Erfolg, stehen die Neider vor der Tür. Es ist nicht einfach. Verstehen kann ich diese Haltung nicht, denn meiner Meinung nach leisten Selbststän­dige sehr viel für die Wirtschaft. Als ob die bürokratis­chen und steuerlich­en Stolperste­ine nicht ausreichen würden.

STANDARD: Lieber den Sprung ins Ausland wagen? Altrichter: Es ist kein Muss. Mithilfe des Internets kann man sein Geschäft von überall betreiben. Fakt ist: Nur weil man auswandert, verbessert sich die Lage eines Gründers nicht automatisc­h. Das heimische Netzwerk fehlt im Ausland. Wer es hingegen schafft, sich im Silicon Valley gut zu vernetzen, hat praktisch unbegrenzt­e Möglichkei­ten.

STANDARD: Gewinnen große Firmen wieder vermehrt an Attraktivi­tät? Sehen Sie ein Abflachen des Gründerhyp­es? Altrichter: Ganz im Gegenteil: Die Start-up-Welle greift nach wie vor um sich, und das ist gut so. Mittlerwei­le gibt es keine große Firma mehr, die sich nicht auch dem Thema Innovation und Start-ups widmet. Die beiden Welten „Startup“und „Corporates“ticken ja in vielen Bereichen komplett unterschie­dlich, anderersei­ts können sie sich gegenseiti­g befruchten. Bei der Zusammenfü­hrung dieser beiden Welten braucht es jedenfalls jede Menge Erfahrung und Fingerspit­zengefühl.

STANDARD: Neun von zehn Startups scheitern. Wie sieht es bei Ihnen aus? Altrichter: Mit gezielter Vorselekti­on kann man diese Quote minimieren. Meine Investment­s teilen sich in drei Kategorien. Ein Teil ist erfolgreic­h und vervielfac­ht das Investment – das Wunschszen­ario. Der zweite Teil schlittert in die Insolvenz. Das tut anfangs weh, ist aber schnell vergessen. Mühsam ist es mit dem dritten Teil, den Zombies.

STANDARD: Was kann man sich unter besagten Zombies vorstellen? Altrichter: Das Sprichwort „Zu wenig zum Leben, zu viel zum Sterben“beschreibt deren Situation ganz gut. Diese Start-ups schleppen sich von Tag zu Tag. Man weiß, es wird nichts, aber fallen lässt man sie auch nicht, dafür sind sie zu weit.

STANDARD: Warum macht man das? Altrichter: Ein Unternehme­n ohne Perspektiv­e auf ein funktionie­ren- des Produkt und einen Markt zu unterstütz­en ist ziemlich anstrengen­d. Das gehört dazu. Deshalb sollte man in viele verschiede­ne Start-ups investiere­n, eine hohe Streuung im Portfolio erhöht die Wahrschein­lichkeit, dass eines wie Facebook dabei ist – auch wenn dieses Beispiel etwas überzeichn­et ist.

STANDARD: Wie hoch ist der Anspruch für ein Investment? Altrichter: „Fund-Returner“ist diesbezügl­ich das geflügelte Wort in der Investoren­szene. Jeder hofft auf eine Beteiligun­g, die dir alle anderen Investment­s zurückzahl­t.

STANDARD: Wie entscheide­n Sie, in wen Sie investiere­n? Altrichter: In erster Linie entscheide ich nach Bauchgefüh­l. Ein Businesspl­an ist für mich nebensächl­ich. Viele Ansätze darin sind ohnehin nur vorübergeh­end. Das Gründertea­m muss passen. Es darf nicht zu groß und nicht zu klein sein. Drei oder vier Personen sind in meinen Augen perfekt. Bei fünf Gründern kommt es fast immer zu Streitigke­iten, eine oder zwei Personen sind schnell einmal überforder­t. Ich muss den Menschen hinter dem Produkt vertrauen können, und diese wiederum müssen ihrem Produkt vertrauen. Sonst hat das keinen Sinn.

STANDARD: Wie weit nehmen Sie Einfluss auf die Geschäfte? Altrichter: Ins operative Geschäft mische ich mich kaum ein. Von Zeit zu Zeit müssen manche Gründer ein bisschen gebremst werden. Wollen sie schon das zweite oder dritte Produkt entwickeln, obwohl das erste noch nicht richtig funktionie­rt, muss die Spur ein bisschen vorgegeben werden. Andere Gründer wiederum müssen gepusht werden, da sie zu lange am Produkt herumdokte­rn und zu langsam auf den Markt gehen. Man agiert sozusagen als Sparringpa­rtner, da geht es vor allem um kritische Fragen, die den Unternehme­n zum Nachdenken bringen.

STANDARD: Wie sieht die Unterstütz­ung aus? Altrichter: Das Wichtigste ist, jungen Menschen den Zugang zu dem entspreche­nden Netzwerk zu ermögliche­n und ihnen mit Know-how zur Seite zu stehen. Geld kommt erst an dritter Stelle. Beim Geld kommt es allerdings darauf an, dass es gut eingesetzt wird.

STANDARD: Wo liegt Ihre finanziell­e Schmerzgre­nze für ein Investment? Altrichter: Ich investiere mindestens 50.000 Euro, darunter rentiert es sich kaum. In einem zweiten Schritt, wenn man bereits mehr Gefühl für das Projekt hat, lege ich in etwa 200.000 Euro nach. Mein Maximum sind 500.000 Euro.

STANDARD: Werden Ihnen die Anfragen manchmal zu viel? Altrichter: Nein, denn eine freundlich­e Absage tut niemandem weh. Ärgerlich ist es nur, wenn Menschen kein Gespür haben und nicht merken, dass man gerade keine Zeit oder keinen Kopf für eine neue Idee hat.

STANDARD: Und die Bekannthei­t? Altrichter: Ich habe mir meinen Platz in der Start-up-Szene selbst erarbeitet, und darauf bin ich stolz. Meine Privatsphä­re und die meiner Familie leiden jedenfalls nicht darunter, deshalb war es eine gute Entscheidu­ng, mich öffentlich zu positionie­ren.

STANDARD: Erwarten Sie größere heimische Exits in nächster Zeit? Altrichter: Es wäre Zeit, dass in Österreich ein Unicorn (ein Unternehme­n, das mit einer Milliarde US-Dollar bewertet wird, Anm.) auftaucht. Das hätte nachhaltig­e Breitenwir­kung. Beispiele wie Runtastic, Sensordyna­mics und auch die Paysafecar­d zeigen, dass so etwas die lokale Wirtschaft beflügelt. Natürlich vorausgese­tzt, das Geld bleibt im Land.

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