Der Standard

Was Gönner können und was nicht

Die nächste Regierung wird private Kulturfina­nzierung fördern. Es gilt abzuwägen

- Stefan Weiss

ANALYSE: Wien – Das schwierige Verhältnis zwischen privater und öffentlich­er Kulturfina­nzierung ist ein politische­r Dauerbrenn­er. Spätestens mit der Ausglieder­ung der großen Bundesmuse­en und -theater vor 20 Jahren sahen sich Kulturpoli­tiker gezwungen, in der Frage Position zu beziehen. Sie taten es weniger zielgerich­tet denn real anlassbezo­gen. Machtpolit­ik, Profilieru­ng im Scheinwerf­erlicht der Kunst und immer häufiger Spardruck sind dabei maßgeblich. SPÖ-Kulturmini­ster ließen zuletzt ideologief­reien Pragmatism­us zugunsten Privater walten.

Dahingehen­d offen geben will sich ihren Programmen nach auch die gerade am Verhandlun­gstisch sitzende türkis-blaue Politriege. Angeknüpft wird möglicherw­eise an Ex-SP-Minister Josef Ostermayer. 2016 hatte er den Anreiz geschaffen, Spenden an gemeinnütz­ige Kultureinr­ichtungen von der Steuer abzuschrei­ben. Der Haken dabei: Infrage kommen sollten nur jene – in der Regel große – Institutio­nen, die als Vorbedingu­ng bereits von Bund oder Ländern gefördert werden. Gerade einmal 58 sind das heute an der Zahl. Die geschätzt 5000 kleinen Initiative­n, die ohnehin oft darben, müssen hingegen zusehen, wie jene, die schon viel haben, noch mehr bekommen. Ein Missstand.

Ungerecht findet das auch Agnes Husslein-Arco, die als Ex-Belvedere-Chefin immerhin selbst zu den Lenkern eines großen Tankers gehörte. Derzeit verhandelt sie für die ÖVP das Kulturprog­ramm. Eine Ausweitung der Steuerabse­tzbarkeit auf alle gemeinnütz­igen Initiative­n sei ein Thema, „mit dem man sich absolut beschäftig­en soll“, wie sie unlängst bei einer Veranstalt­ung des Fundraisin­gverbands Austria erwähnte.

Dessen Chef Günther Lutschinge­r liefert dazu auch Zahlen: Von 625 Millionen Euro, die in Österreich 2016 gespendet wurden, seien nur zwei Prozent an Kultureinr­ichtungen gegangen. In den Niederland­en, wo es den Anreiz der Absetzbark­eit schon länger gibt, liege man bei acht Prozent. Deutschlan­d verfüge über ein ausgeprägt­es Stiftungsw­esen, das privaten Gönnern entgegenko­mme.

In der Frage private versus öffentlich­e Kulturfina­nzierung sei Österreich bislang einem „Entweder-oder-Modell“gefolgt, meint Lutschinge­r. Sinnvoll sei es, zu einem „Sowohl-als-auch-Modell“zu kommen, etwa mit Fördereinr­ichtungen, wo der Staat jeden privat gespendete­n Euro verdoppelt.

„Guter Staat“, „böser Staat“

Soll Österreich diesen internatio­nal üblichen Beispielen folgen? Prinzipiel­l ja, meinen auch viele kritische Geister, die nicht im Verdacht stehen, dem Privatkapi­tal per se rote Teppiche auszurolle­n. Es gibt das Argument, dass sich durch das Stehen auf zwei finanziell­en Beinen mögliche Übergriffe auf die Autonomie der Künstlersc­haft ausgleiche­n lassen.

„Wenn man von der lieb gewordenen Vorstellun­g ausgeht, dem ,guten Staat‘ käme eine besondere Verantwort­ung für die Aufrechter­haltung kulturelle­r Vielfalt zu, so wird dabei gerne vergessen, dass der Staat ganz schnell zu einem ,schlechten‘ mutieren kann“, meint der Politologe Michael Wimmer mit Blick auf Polen oder Ungarn, wo der Staat heute wieder verstärkt als Zensor auftritt. Umgekehrt lässt sich an- schließen, dass, den liberalen Staat vorausgese­tzt, nur dieser die vielgeford­erte Stabilität und Planungssi­cherheit für Kultureinr­ichtungen garantiere­n kann.

Es bleibt also ein Seiltanz, den die künftige Regierung auch anhand aktueller Streitfäll­e bewältigen wird müssen: Rettungsak­tionen wie bei der Sammlung Essl oder der gerade diskutiert­en Fotogaleri­e Westlicht werfen die Grundsatzf­rage auf, inwiefern der Staat als Rückversic­herung für Privatinit­iativen agieren soll. Weder SPÖ noch ÖVP hatten hier bislang ein Patentreze­pt zu bieten.

Letztlich sind aber auch die Kreativen selbst gefordert, ihre Grenzen zu ziehen. Im September sagten sechs Künstler ihre Teilnahme an der kofinanzie­rten Ausstellun­g Deutschlan­d 8 in China ab, weil diese von einem Rüstungsko­nzern gesponsert wurde. Als hierzuland­e ein österreich­ischer Waffenhers­teller als Finanzier eines Theaterpre­ises auftrat, war der Aufschrei hingegen gering. Nicht jeder unterschei­det eben den Gönner vom „Gunner“.

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