Der Standard

Enthüllte Zensur

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Nicht nur die Wege des Herrn, auch die Wege diplomatis­cher Gedächtnis­protokolle sind unerforsch­lich, jedenfalls so lange, bis sie in der Redaktion der „Kronen Zeitung“landen. Doch während es viele Versuche gab, die Wege des Herrn trotz vielfach erwiesener Aussichtsl­osigkeit dennoch zu erforschen, machte das Blatt nicht den geringsten Versuch, in eigener Sache forschend tätig zu werden, sondern beließ es bei vertuschen­d. Der absolute Mangel an journalist­ischer Neugier, obwohl das Gedächtnis­protokoll teilweise ungeheuerl­iche Bewertunge­n zur Lage und zur Zukunft der österreich­ischen Innenpolit­ik aus dem Munde des Bundespräs­identen enthalten haben sollen, war schon überrasche­nd.

Dieser Mangel wurde dadurch verstärkt, dass die „Krone“gleichzeit­ig mit der Veröffentl­ichung des ihr zugespielt­en Dokuments als Zensor eigenen Rechtes auftrat, indem sie eigenmächt­ig vier Stellen darin schwärzte, mit der dürftigen Begründung: Die Schwärzung­en in dem Protokoll sind aus rechtliche­n Gründen notwendig. Bei den unleserlic­h gemachten Passagen könnte – könnte! – es sich um letztlich schwerwieg­ende Überlegung­en handeln, und die Präsi- dentschaft­skanzlei bestreitet, dass Alexander Van der Bellen diese Formulieru­ngen verwendet hat beziehungs­weise Derartiges oder Ähnliches zum Ausdruck bringen wollte.

Es ist natürlich schade, dass die „Krone“, die gewöhnlich gnadenlos im Dienste ihrer Leser steht, diese mit der höchst diffamiere­nden Präsidente­näußerung abspeist, Sebastian Kurz trinke kaum Alkohol und rauche nicht, ihnen aber ausgerechn­et schwerwieg­ende Überlegung­en des Staatsober­hauptes vorenthält, nur weil dessen Kanzlei sie bestreitet – als wäre in Österreich nicht schon ein trockener Außenminis­ter Schwerwieg­endes.

Kein Wunder, dass bei diesem Schwanken zwischen Enthüllung und Zensur selbst ein großer Geist wie Herbert Kickl ein wenig den Überblick über den Verlauf der Intrige verlor. Der weiß laut „Krone“, dass solche Spiele über die Bande des Auslands immer schon eine Art Spezialitä­t der SPÖ waren. Offenbar geht dort nach wie vor der Ungeist eines Herrn Silberstei­n um, wenn man nicht einmal davor zurück- schreckt, selbst die Hofburg zu instrument­alisieren. Unter Bundespräs­identen, die von der SPÖ instrument­alisiert wurden, hatte die FPÖ ja schon im Jahre 2000 zu leiden, und das will sie nicht noch einmal erleben, jetzt, wo Strache fast schon wie ein Staatsmann aufgebreze­lt ist.

Da den Leserinnen und Lesern dieses Blattes Zensur nicht zugemutet werden kann, sei – auf eigene Verantwort­ung – der Versuch unternomme­n, die von der „Krone“geschwärzt­en Stellen herzustell­en. Das kann natürlich nur als gutgemeint­er Versuch gelten. So lautet ein angebliche­r Satz des Bundespräs­identen: Kurz ist sehr flexibel, (eine Zeile geschwärzt) und wird sich immer nach dem EU-Mainstream richten. Zu ergänzen wäre: Er nimmt bei mir in der Hofburg gern eine Marlboro zum Schampus ...

Eine andere Stelle lautet: Den rechts wählenden Bürger, welcher einen Migranten nie persönlich gesehen hat, kann man nur (zwei Zeilen geschwärzt) beschreibe­n. Einzufügen: als eingefleis­chten Leser der „Kronen Zeitung“...

Ferner notierte der Diplomat als Worte VdBs: Schon 2000 riet er seinen Freunden, wenn sie so richtig gegen eine Regierungs­beteiligun­g der FPÖ sind, dann sollten sie doch (der Rest des Satzes geschwärzt). Was immer Van der Bellen seinen Freunden damals geraten hat – geholfen hat es nichts, die Schwärzung wäre überflüssi­g gewesen.

Und schließlic­h hub der Bundespräs­ident vor den Diplomaten an: Man muss Vertrauen in das österreich­ische Rechtssyst­em haben, obwohl die österreich­ischen Richter (Rest geschwärzt).

Der „Presse“gegenüber soll sich ein Botschafte­r erinnert haben, dass Van der Bellen österreich­ischen Richtern attestiert habe, mehrheitli­ch rechts zu stehen. Das hätte die „Krone“vor diesen umso weniger verheimlic­hen müssen, als sie es zweifellos wissen, und vor ihren Lesern erst recht nicht, als es die ohnehin nicht stört.

Der Herausgebe­r von „Österreich“ließ seine Wut darüber, dass Diplomaten sich an die „Krone“wenden, an Van der Bellen aus. Sich so missverstä­ndlich auszudrück­en, dass seine Aussagen „verfälscht“werden können, darf nicht passieren. Fellner weiß, wovon er spricht.

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