Poetische Visionen, bunte Nächte
Zum Saisonausklang wartet „im Kinsky“mit einem Schwerpunkt zeitgenössischer Kunst auf. Zu den Höhepunkten gehören Werke heimischer Granden der Nachkriegsgeneration.
Wien – Als „Bilddichtung“bezeichnet der Künstler Günter Brus seine von literarischen Texten begleiteten Zeichnungen seit Ende der 1970er-Jahre. Eine dieser ausdrucksstarken Serien führt nun im Kinsky in eine Welt, in der alles im Fluss scheint. Der 1997 entstandene Zyklus Nabelstromdelta besteht aus zehn Zeichnungen mit Buntstift und Ölkreide auf Büttenpapier. Die Titelseite zeigt nur einen wie um Hilfe suchend ausgestreckten Arm, eine existenzialistische Geste, die an Brus’ grenzgängerische Aktionen wie Zerreißprobe Ende der 1960er erinnert.
„Nicht schwarz ist die Nacht, sondern dunkelbunt“, formuliert der Künstler-Poet eine nokturne Einsicht, zu der ihn wohl das von ihm gezeichnete Kätzchen inspiriert hat. Dass Brus dem Symbolismus viel abgewinnen kann, beweist die Zeichnung Irgendwo und irgendwann etwas anderes als Kunst: Bei leerer Bildmitte blickt vom Rand aus eine mystische Frauenfigur den Betrachter an. Irgendwo zwischen William Blake und Wilhelm Busch ist der neunteilige Grafitzyklus Angst verortet, in dem Brus 1982 Szenen einer schwarzen Pädagogik schuf.
Auch die ehemaligen Kampfgenossen des Künstlers sind in der Auktion vertreten. So wird vom Aktionistenkollegen Otto Muehl das semiabstrakte Gemälde Mann mit Hut von 1982 aufgerufen und von Hermann Nitsch ein rot bemaltes Malhemd, das kreuzförmig auf einem Balken an sein OrgienMysterien-Theater gemahnt.
Die 1940 geborene Wiener Künstlerin Martha Jungwirth erlangte bereits Ende der 1960erJahre Bekanntheit, aber erst in jüngster Zeit jene breite Würdigung, die ihre gestischen Gemälde verdienen. Dieser Tage wurde Jungwirth der Oskar-KokoschkaPreis verliehen.
Das Kinsky wartet mit sieben Bildern der Künstlerin auf, die am liebsten auf Papier malt. Dazu zählt ein figuratives Frauenbild von 1970, als die Malerin noch der losen Künstlergruppe „Wirklichkeiten“zugerechnet wurde“, ebenso wie das Stillleben in kräftigen Rottönen, das Jungwirths unverwechselbaren Stil von 2011 in voller Blüte zeigt.
Ein später Durchbruch war auch Maria Lassnig beschert, von der das Toplot der Auktion stammt. Vor dem Hintergrund der Wolkenkratzer New Yorks porträtierte sie 1976 eine Frau im Kleid. Mit seiner erhöhten Perspektive wirkt das Bild wie eine Ode an die US-Metropole, in der die Kärntnerin damals lebte.
Fritz Wotruba schuf im Jahr 1958 den 117 cm hohen Bronzeguss Torso, der säulenhaft emporragt. Ein sehr ähnliches Werk zählt zur Sammlung des Museums moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien. „Die menschliche Figur ist Anlass meiner Arbeit, sie steht am Beginn und wird am Ende stehen“, hielt der einflussreiche Künstler in jener Zeit fest.
Von Wotrubas Schüler Bruno Gironcoli lockt ein Aluminiumguss mit Babyköpfen, die eine futuristische Anmutung haben. Von Franz West, der wiederum bei Gironcoli studierte, sorgt eine in Blautönen bemalte Papiermachéplastik an einer Stahlstange mit dem Titel Nippes für Schmunzeln.