Der Standard

Apple, Google und Co: Zur Kassa, bitte!

Die Digitalisi­erung macht einen Paradigmen­wechsel bei der Unternehme­nsbesteuer­ung dringend notwendig. Die Europäisch­e Union und die kommende österreich­ische Bundesregi­erung müssen endlich Nägel mit Köpfen machen.

- Martin Saringer

Die Umbrüche sind enorm: Unter den Top-20-Unternehme­n mit der weltgrößte­n Marktkapit­alisierung sind bereits neun Unternehme­n aus der digitalen Wirtschaft, vor zehn Jahren war es nur eines. Mit Apple, Alphabet (Google), Microsoft und Amazon gehen die ersten vier Plätze geschlosse­n an digitale Technologi­eunternehm­en, die weltweit tätig sind. Sharing-Plattforme­n wie Airbnb und Uber sind mit ihren Geschäftsm­odellen ebenfalls auf der Überholspu­r.

Im Steuerrech­t ist dieser Umbruch bis jetzt aber noch nicht angekommen. Die Grundprinz­ipien der Unternehme­nsbesteuer­ung sind fast 100 Jahre alt und dementspre­chend auch nicht mehr zeitgemäß: Mit aktuellen gesetzlich­en Regelungen ist es de facto unmöglich, eine faire und angemessen­e Besteuerun­g der multinatio­nalen Konzerne sicherzust­ellen.

Die jüngsten Veröffentl­ichungen der Paradise Papers, aber auch frühere Dokumente zeigen, wie groß der Handlungsb­edarf ist: Für Unternehme­n und Superreich­e ist es einfach, ihre wirtschaft­lichen Aktivitäte­n und Vermögensw­erte so zu strukturie­ren, dass keine oder kaum Gewinnsteu­ern anfallen. Das ist nicht ausschließ­lich ein Problem der digitalen Wirtschaft, aber diesen Unternehme­n fällt es besonders leicht, ihre Steuern zu minimieren.

Dass die aktuellen Enthüllung­en dieser Steuerverm­eidungsstr­ategien von Apple und Co keine Einzelfäll­e sind, lässt sich gut belegen. Die OECD geht in ihren Berech- nungen davon aus, dass den Staaten jährlich bis zu 240 Mrd. USDollar an Körperscha­ftsteuerei­nnahmen durch die Steuertric­ks verlorenge­hen, das sind bis zu zehn Prozent der jährlichen Körperscha­ftsteuerei­nnahmen weltweit. So fehlen Steuereinn­ahmen, die für Infrastruk­turmaßnahm­en, in der Bildung, im Gesundheit­swesen oder zur Armutsbekä­mpfung dringend benötigt werden. Es fehlt der Spielraum, den man dazu nutzen könnte, um den Faktor Arbeit zu entlasten und so für mehr Wachstum und Beschäftig­ung zu sorgen.

Die EU-Kommission hat deutlich gezeigt, dass die Körperscha­ftsteuerbe­lastung mittlerwei­le extrem ungleich verteilt ist: Für Unternehme­n der digitalen Wirtschaft, die ihre Wertschöpf­ung mit immateriel­len Vermögens- gegenständ­en wie Daten, Lizenzen und Markenrech­ten erzielen, ist die Steuerbela­stung mit neun Prozent nur knapp halb so hoch wie die effektive Steuerbela­stung der klassische­n Wirtschaft mit 18 Prozent. Das führt zu Wettbewerb­sverzerrun­gen. Und das Vertrauen in Demokratie und Rechtsstaa­t ist massiv unter Druck, wenn man sieht, wie leicht es für einzelne Gruppen möglich ist, sich geltenden Gesetzen zu entziehen.

Im Gegensatz zu den digitalen Unternehme­n, die keine Filialen vor Ort brauchen, um Geschäfte zu machen, ist die Unternehme­nsbesteuer­ung aber immer noch Angelegenh­eit der einzelnen Staaten. Nicht einmal innerhalb der Europäisch­en Union gibt es hier einheitlic­he Regeln. Unternehme­nsgewinne sollen dort besteuert werden, wo die Wertschöpf­ung erfolgt. Steuerlich­er Anknüpfung­spunkt dafür ist die Betriebsst­ätte, wobei hier der Grundsatz gilt, dass immer jene Gewinne besteuert werden sollen, die einer Betriebsst­ätte zuzuordnen sind.

An die Grenzen gestoßen

Diese Regeln sind bereits in der traditione­llen Wirtschaft durch die Globalisie­rung an ihre Grenzen gestoßen, wie beispielsw­eise das berühmte Beispiel von Starbucks zeigt. In der digitalen Wirtschaft sind diese Regeln aber mittlerwei­le völlig ungeeignet, um Internetko­nzerne angemessen besteuern zu können. Weil das die Zahlen sind, die die Aktionäre interessie­ren, ist es im Rechnungsw­esen selbstvers­tändlich, einen Konzernabs­chluss und nicht nur die Bilanzen der einzelnen Gesellscha­ften in den einzelnen Ländern zu veröffentl­ichen. Steuerrech­tlich wird aber ein solcher Gesamtabsc­hluss noch immer blockiert.

OECD und Europäisch­e Union haben dieses Problem mittlerwei­le erkannt, und das Thema ist auf der politische­n Agenda. Der große Wurf ist aber ausgeblieb­en.

Was muss geschehen? Bei den Regierungs­verhandlun­gen in Österreich ist man sich offenbar darüber einig, dass es digitale Betriebsst­ätten braucht. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung, um wieder sicherzust­ellen, dass Gewinne am Ort der Wertschöpf­ung besteuert werden. Aber das Problem ist damit nicht gelöst, der Weg ist weiterhin weit. Einzel- maßnahmen reichen nicht aus. Wenn einzelne Schlupflöc­her geschlosse­n werden, werden die Unternehme­n und die Beratungsi­ndustrie neue Strategien zur Steuerverm­eidung finden.

Ein Paradigmen­wechsel ist unumgängli­ch: Die steuerlich­en Rahmenbedi­ngungen müssen an die wirtschaft­liche Realität anpasst werden. Anstatt wie bisher die einzelnen Konzernges­ellschafte­n in den einzelnen Staaten zu besteuern, muss man den gesamten Konzerngew­inn besteuern und diesen Gewinn auf die einzelnen Staaten, in denen der Konzern wirtschaft­lich aktiv ist, verteilen. Erst dann laufen die Steuerverm­eidungsstr­ategien, die darauf abzielen, die Konzerngew­inne in Niedrigste­uerländern zu verstecken, ins Leere.

MARTIN SARINGER ist Steuerexpe­rte in der Arbeiterka­mmer Wien. Am 6. Dezember findet in der AK eine Veranstalt­ung zum Thema „Digitalisi­erung und gerechte Steuern“statt. Informatio­nen und Anmeldung unter pwien. arbeiterka­mmer.at/steuerndi

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Vier Größen der Digitalwir­tschaft – was sie eint, ist ein bis aufs Äußerste optimierte­s Steuermana­gement.
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Cartoon: Rudi Klein (www.kleinteile.at)
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Foto: Lisi Specht Martin Saringer: Bis zu 240 Mrd. Dollar Steuern gehen den Staaten jährlich durch die Lappen.

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